Gefühle sind klug – aber gilt das auch in Zeiten grosser Veränderung?

Drei empirische Erkenntnisse von Eyal Winter zur Macht der Gefühle.

Am Montag, 14. Oktober 2019, wurden die Ökonomen Esther Duflo, Abhijit Banerjee und Michael Kremer für ihre Arbeit mit dem Wirtschafts-Nobelpreis ausgezeichnet – und ich muss zugeben, dass ich mich noch nie mehr über eine Nobelpreis-Entscheidung gefreut habe. Es mag vielleicht vermessen klingen, aber ein bisschen fühle ich mich damit auch für unsere tägliche Arbeit als Behavioral Designer geehrt. Denn die Forschung von Duflo, Banerjee und Kremer bildet – wie auch jene von anderen in der Vergangenheit mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Verhaltensökonomen – die Grundlage unseres Experimentability-Ansatzes.

Wir nehmen die Welt zunehmend als schneller, digitaler, komplexer und damit unsicherer wahr. Unter diesen Bedingungen schafft nur eine Kultur des systematischen Experimentierens wieder Sicherheit, ersetzt Befindlichkeiten durch Fakten und bildet die Basis für Innovation und Erfolg.

Wer mehr darüber erfahren möchte, welche Werkzeuge die Verhaltensökonomie dafür zur Verfügung stellt, hat an der nächsten Academy of Behavioral Economics am 29. Januar 2020 die Gelegenheit dazu. Dort geben internationale Top-SpeakerInnen Einblick in ihre Arbeit und teilen ihre aktuellsten Forschungsergebnisse.

Einer unserer Gäste ist Eyal Winter, Professor für Wirtschaft an der Hebräischen Universität Jerusalem und an der Universität Lancaster, dessen Arbeit ich weiter unten näher vorstelle. Eyal forscht insbesondere zu menschlichen Gefühlen und wie sie unsere Entscheidungen beeinflussen. Er sagt: Gefühle sind klug. Sie machen unser Leben entschieden einfacher, weil wir nicht jede Situation bis ins letzte Detail durchdenken können – vor allem dann, wenn es schnell gehen muss.

Für die Academy im Januar ergeben sich daraus spannende Fragen: Sind Gefühle auch in Zeiten grosser Veränderung klug? Oder anders formuliert: Passen die Emotionen von gestern noch zu den Entscheidungen, die wir heute treffen? Immerhin tragen Gefühle wie Abstiegsangst dazu bei, dass populistische Parteienund Politiker immer mehr Stimmen bekommen. Und auch im Management führen sie in Zeiten grosser Veränderung zu populistischen Entscheidungen, die anstatt auf Fakten auf Trends und Buzzwords beruhen – mit dem Resultat, dass alle das Gleiche tun.

Ich freue mich schon jetzt auf die Antworten, die Eyal an der Academy auf diese Fragen geben wird.



Kluge Gefühle:
Warum Angst, Wut und Liebe rationaler sind als wir denken

Emotionen haben in einem rationalen Menschen- und Wirtschaftsbild auf den ersten Blick wenig zu suchen. Doch der Verhaltensökonom Eyal Winter zeigt: Gerade sie bilden eine wichtige Grundlage für unsere Entscheidungen. Die Essenz seiner Forschungsarbeit zum Thema hat er im Buch «Kluge Gefühl» (erschienen bei Dumont, Originaltitel: “Feeling Smart: Why Our Emotions Are More Rational Than We Think“) aufbereitet. Er sagt darin: «Emotionen bilden einen Mechanismus, der uns dabei hilft, Entscheidungen zu treffen. Sie wurden im Lauf der Evolution geformt und entwickelt, um unsere Überlebenschancen zu verbessern.»

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★★
Wir könnten es ja bereuen:
Warum es so schwer ist, das Verhalten zu ändern

Reue ist ein mächtiges Gefühl, das eng an die Evolution geknüpft ist – und ein Mechanismus, ohne den der Mensch wahrscheinlich nicht überlebt hätte. Was das für unser Verhalten bedeutet, erklärt Eyal Winter in einem Beitrag für The Conversation («A fear of regret can lock us into bad relationships, jobs and habits – here’s how to break free»).

«Die Angst vor dem Bereuen beeinflusst unsere Entscheidungen an zwei zentralen Stellen: Wenn es um Geld geht oder um Beziehungen», schreibt Winter. Wir bleiben beispielsweise auch dann mit einer Partnerin oder einem Partner zusammen, wenn die Liebe längst nicht mehr da ist. Der simple Grund dafür: Wir haben Angst davor, den Schritt der Trennung später zu bereuen. Paradoxerweise sei es aber genau die gleiche Angst vor dem Bereuen, die uns zu einem anderen Zeitpunkt von einer neuen Beziehung abhalte, so Winter.

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★★★
Gefühle gewinnen (fast) immer:
Warum Menschen bei Wahlen irrationale Entscheidungen treffen

Objektiv betrachtet geht es in grossen Teilen der Welt aufwärts. Die Einkommen steigen, die Menschen leben länger und gesünder – eigentlich also kein Grund zur Klage. Trotzdem gewinnen bei Wahlen gerade populistische Parteien und Politikerzusehends an Stimmen, die gezielt mit starken Gefühlen wie Angst arbeiten.

Warum ist das so? Weil Gefühle seit jeher die Politik und die Wahlentscheidungen von Menschen prägen, wie Eyal Winter in einem Artikel im Guardian erklärt («Voting is irrational. Emotions always win»). Sein Fazit: Nur wenn wir das menschliche Bedürfnis nach einfachen ideologischen Lösungen für Probleme verstehen, können wir es eines Tages auch überwinden.

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