Wie Erregungszustände unser Erinnerungsvermögen verzerren

Das Einordnen von Stresssituationen geschieht eher reflexartig als aus dem Langzeitgedächtnis heraus, zeigt eine Innsbrucker Studie. Ergebnisse, die strafrechtliche Beurteilungen oder psychische Verhaltensstörungen in ein neues Licht stellen.

Wie Erregungszustände unser Erinnerungsvermögen verzerren

Unser Denken und unsere Handlungen hängen stark davon ab, in welchem Gefühlszustand wir uns gerade befinden. Die verantwortlichen Einflussfaktoren sind uns nicht immer bewusst und liegen teilweise in der Vergangenheit.

Eine Studie der Universität Innsbruck untersuchte, welche Situationen sich wie auf unser Gehirn auswirken. Den Teilnehmern wurden drei Videoszenen vorgeführt: Eine erotische, eine gewaltlastige und eine neutrale. Das Betrachten der ersten beiden Sequenzen erregte die Gemüter der Zuseher zu einem Grad, dass sie in Folgetests schlechter abschnitten als nach dem Ansehen der neutralen Videoszene.

Geprüft wurde, ob sich die Probanden erinnern konnten, wo und in welcher Reihenfolge die Handlung des jeweiligen Videos stattgefunden hatte. Bisherige Forschungen haben nämlich gezeigt, dass sich Erinnerungen, die unter hoher emotionaler Erregung entstehen, weniger detailreich ins Langzeitgedächtnis “einschreiben”.

Dazu Thomas Maran vom Studienteam:

Dieser Umstand macht Fehlerinnerungen wahrscheinlicher und macht es uns schwerer zu unterscheiden, ob eine neue Situation ähnlich der erinnerten Situation und deshalb vielleicht gefährlich ist. […] Kontextinformationen sind unter anderem notwendig, um sich selbst und Ereignisse augenblicklich in Raum und Zeit zu verorten.

Man versuchte, im Rahmen der Studie zu messen, wie das Verhalten im Normalzustand und in herausfordernden Situationen durch Schwankungen im Erregungszustand beeinflusst wird, Ausserdem stellte sich die Frage, ob positive und negative Erregungszustände unser Verhalten unterschiedlich beeinflussen.

Im Stress greift der Reflex

Das Ergebnis: Sowohl nach Ansehen der Sex- als auch die Gewaltszene fiel es den Teilnehmern schwerer, sich zu merken, wo bestimmte Objekte im Film gewesen waren, oder Sequenzen zu lernen Richtige Vorhersagen konnten daher schwerer getroffen werden. Daraus wird der Schluss gezogen, dass in Stresssituationen eher auf reflexartige Verhaltensmuster zurückgegriffen wird.

Vermutlich ist der Hippocampus verantwortlich für das Lernen von räumlichen und zeitlichen Inhalten. In Stresssituationen wird diese Funktion offenbar beeinträchtigt, was das Einordnen neuer, möglicherweise gefährlicher Situationen erschwert. Die offizielle Anerkennung der Umstandes, dass Veränderungen im Denken bei hohen Erregungszuständen eine wichtige Rolle bei psychischen Störungen spielen können, kann zu einer neuen Beurteilungsgrundlage werden:

Die Erkenntnisse dieser Studie geben uns eine bessere Grundlage für das Verständnis von menschlichem Verhalten unter hohen Erregungszuständen: Das reicht von der Beurteilung von Affekthandlungen im Strafrecht, über Verhaltensstörungen bei psychischen Erkrankungen bis hin zu wichtigen Entscheidungen in stressreichen Situationen, wie etwa Polizeieinsätzen.

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