En Guete! Was die Verhaltensökonomie zu unserem Essverhalten zu sagen hat

Wie wir essen, beeinflusst unsere Gesundheit und unseren Planeten. Die Verhaltensökonomie erforscht schon lange, warum wir oft nicht so essen, wie es uns gut tun würde. Und sie kennt Lösungsansätze, wie wir unser Essverhalten verbessern können.

En Guete! Was die Verhaltensökonomie zu unserem Essverhalten zu sagen hat
Plant-rich diet. USDA photo by Scott Bauer, Lizenz: Public Domain

In fast keinem Verhaltensbereich tritt täglich ein grösserer innerer Konflikt auf als beim Essverhalten. Und in fast keinem anderen Verhaltensbereich gibt es eine derart grosse Diskrepanz zwischen dem, was wir wollen und dem, was wir tun. Diäten, Fasten, gesunde Ernährung und andere Schlagwörter erinnern uns jeden Tag daran, wie wir uns ernähren sollten und nichtsdestotrotz entscheiden wir uns häufig für die kleine (oder grosse) Sünde.

Wodurch aber wird unser Essverhalten massgeblich beeinflusst? Ist es der Bauch, der Kopf oder doch das berüchtigte Auge, das immer mitisst?

Unzählige verhaltensökonomische Untersuchungen gehen bereits dieser Frage nach. Die Ergebnisse scheinen eindeutig: Weder das Hungergefühl noch der Verstand entscheiden darüber, wie viel und was wir essen. Vielmehr gibt es eine lange Liste an anderen Faktoren, die unser Essverhalten beeinflussen, an die wir vielleicht nicht als erstens denken. Dazu gehören zum Beispiel Portionsgrössen, an denen wir uns orientieren; der Komfort, mit dem wir ein bestimmtes Essen bekommen; die Beschreibungen des Essens, welche in uns bestimmte Erwartungen weckt; die Art und Weise, wie uns Essen präsentiert wird; Gerüche und die Sicht auf Essen; die Anzahl an Menschen, mit denen wir gemeinsam essen; die Farbe der Teller, auf denen wir eine Mahlzeit essen.

Die unendliche Suppe

Brian Wansink, James E. Painter und Jill North führten 2005 ein Experiment durch, in dem die Teilnehmenden sich an einen Tisch setzten, auf dem mehrere Suppenteller bereits fest auf dem Tisch positioniert waren. Manche Teller waren normale Suppenteller, andere Teller waren durch ein Loch am Tellerboden durch einen Schlauch mit einem Suppenkessel verbunden. Die durch einen Schlauch verbundenen Suppenteller wurden automatisch immer wieder nachgefüllt, während die normalen Suppenteller nur einmal aufgefüllt wurden.

Das Ergebnis: Die Teilnehmenden, welche die sich selbst nachfüllende Suppe vor sich hatten, assen und assen und hörten nicht auf zu essen. Im Schnitt konsumierten sie rund 73 Prozent mehr als die Teilnehmenden mit dem normalen Suppenteller. Gleichzeitig fühlten sie sich jedoch weder gesättigter als die anderen, noch glaubten sie, mehr als die anderen gegessen zu haben.

Mit Worten besser kochen

Ebenfalls im Jahr 2005 führten Brian Wansink, Koert van Ittersum und James E. Painter ein Feldexperiment in einer Cafeteria durch, in der die Beschreibung der angebotenen Gerichte variiert wurde. Einmal wurde ein Gericht als „Fischfilet“ angeboten, an einem anderen Tag wurde das exakt gleiche Gericht als „Schmackhaftes italienisches Fischfilet“ angeboten. An einem Tag gab es „Gegrilltes Huhn“, an einem anderen Tag „Zart gegrilltes Huhn“. Die Gäste bewerteten die Gerichte mit einer sinnlichen, geographischen oder traditionellen Beschreibung als ansprechender und schmackhafter, obwohl sich am Gericht nichts geändert hatte und es genau gleich gekocht wurde.

Manche Gäste bezeichneten die Gerichte mit besonderer Beschreibung sogar als „grossartig“ oder lobten das „tolle Rezept“. Überraschenderweise bewerteten die Gäste, die ein Gericht mit besonderer Beschreibung gegessen hatten, nicht nur das Gericht, sondern zusätzlich auch die Cafeteria und deren Köche besser. Manche Gäste empfanden die Cafeteria sogar als modern und „up-to-date“ und vermuteten, dass die Köche vielleicht in Europa ausgebildet wurden.

Ein Buffet an Möglichkeiten zur Veränderung unseres Essverhaltens

Wer isst nun also alles mit, wenn wir unsere Essentscheidungen treffen? Der Bauch, der Kopf, das Auge? Die Antwort darauf lautet: viel mehr Faktoren als wir uns vorstellen. Bei unserem Essverhalten werden wir von der Umgebung, von anderen Menschen, von Darstellungen & Beschreibungen, von Portionsgrössen, vom Komfort des Essens usw. beeinflusst.

Was bedeutet das für uns individuell, aber auch für uns als Gesellschaft? Übergewicht, Lebensmittelverschwendung, Hungersnöte oder der ökologische Fussabruck unserer Ernährung sind brandaktuelle Themen, die in unserer Gesellschaft derzeit viel diskutiert werden.

Während verhaltensökonomische Untersuchungen nahelegen, dass wir unser Essverhalten weniger unter Kontrolle haben als wir glauben, zeigen sie gleichzeitig auch das enorme Potential, das gesellschaftspolitische Interventionen im Bereich Ernährung haben können. Traditionelle Massnahmen zur Veränderung des Essverhaltens zielen dabei insbesondere auf Änderungen vom Angebot und Informationskampagnen ab. Oft fehlt es nicht (nur) an Informationen, sondern an der Bereitschaft, ein nachhaltigeres Essverhalten zu zeigen. Die Verhaltensökonomie stellt dazu die passenden, komplementären Werkzeuge bereit, die für die gesellschaftspolitische Gestaltung unseres Essverhaltens verwendet werden können.

Referenzen:

Wansink, B., Van Ittersum, K., & Painter, J. E. (2005). How descriptive food names bias sensory perceptions in restaurants. Food quality and preference, 16(5), 393-400.

Wansink, B., Painter, J. E., & North, J. (2005). Bottomless bowls: why visual cues of portion size may influence intake. Obesity research, 13(1), 93-100.

Wansink, B. (2007). Mindless eating: Why we eat more than we think. Bantam.

Weiterführende Literatur:

Just, D. R., Mancino, L., & Wansink, B. (2007). Could behavioral economics help improve diet quality for nutrition assistance program participants?