Weibliche Genitalverstümmelung: Wie Spielfilme die Einstellung von Menschen verändern können

Spielfilme könnten ein Umdenken bezüglich gefährlicher Riten wie das Beschneiden von Mädchen auslösen. Ein Schweizer Team rund um Ernst Fehr hat im Sudan vielversprechende Forschungserfolge erzielt.

Weibliche Genitalverstümmelung: Wie Spielfilme die Einstellung von Menschen verändern können

Gibt es Mittel und Wege, um die Genitalverstümmelung bei Mädchen einzudämmen? In vielen afrikanischen Regionen wird das Entfernen von Teilen der weiblichen Geschlechtsorgane nach wie vor druchgeführt, über zwei Millionen Mädchen jährlich durchleiden dieses traumatische und teilweise tödliche Ritual.

Das Ändern von tiefverwurzelten kulturellen Ritualen ist schwierig, aber nicht unmöglich, falls schon ein Teil der Bevölkerung am Umdenken ist:

Researchers have exploited such variation between individuals by identifying clusters of like-minded people in social networks whose attitudes and behaviour could facilitate inter­ventions ranging from polio vaccination to latrine adoption. But some populations resist adopting new practices, especially when these practices are associated with colonialism.

Diese Uneinheitlichkeit innerhalb einer Kultur wurde auch für erwähntes Experiment von Forschern rund um die Ökonomen Ernst Fehr und Charles Efferson von der Universität Zürich genützt. In einem aktuellen “Nature”-Artikel wird eine Versuchsreihe beschrieben, die mittels Spielfilmen Versuchspersonen im Sudan zum Nachdenken bringen möchte.

Vier unterschiedlich geschnittene Filme mit sudanesischen Schauspielern wurden den Probanden präsentiert: Eine Kontrollversion, die sich gar nicht mit dem Thema Beschneidung beschäftigte sowie jene Versionen, in den die Hauptcharaktere unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema preisgaben – etwa, ob ein beschnittenes Mädchen mehr Chancen am Heiratsmarkt hat oder gesund ist.

Die Mehrheit ändert ihre Einstellung

Wie fiel die Reaktion gleich nach der Filmvorführung aus? Die Einstellung der Betrachter hatte sich merkbar geändert, wie in “Nature” nachzulesen ist:

The first experiment showed that, immediately after watching any of the three treatment films, viewers had the desired change in attitude: among the 189 people, attitudes towards uncut girls improved by approxi­mately 55–64% of one standard deviation in the scores generated by the implicit association test. The second experiment showed that, one week after viewing the film, a treatment effect of about 10–11% of one standard deviation had occurred, but only in the group exposed to the film involving both types of treatment material (values and marriageability).

Offen bleibt noch, ob und wie lange dieser Effekt anhält. Möglicherweise hat sich die Einstellung der Menschen schon eine Woche später wieder am alten Stand eingependelt. Genau die Unsicherheit – das Schliessen dieser Wissenslücke – gilt als der Heilige Gral in der Verhaltensforschung. „Wir wollen das weiter nachverfolgen, um einen möglichen Effekt auf das Verhalten zu testen“, so Ernst Fehr. orf.at dazu: “Fehr und Kollegen sind jedoch optimistisch, dass das Unterhaltungsformat Potenzial habe und von Organisationen genutzt werden könnte, die sich gegen weibliche Genitalverstümmelung einsetzen.”

Hier noch ein Auszug des Medienechos zum beschriebenen Experiment:

Quelle: Nicholas A. Christakis, Female genital cutting under the spotlight,doi:10.1038/nature19482