Mit Behavioral Design zu besserer medizischer Behandlung

Um die Patientensicherheit in einer immer komplexer werdenden medizinischen Welt zu verbessern, greifen Krankenhäuser vemehrt auf Behavioral Design-Strategien zurück.

Mit Behavioral Design zu besserer medizischer Behandlung

Aufgrund immenser medizinischer Fortschritte können mehr Leben als zuvor gerettet werden. Aber mit der Erweiterung dieses Leistungsspektrums steigt paradoxerweise auch das Gefahrenpotenzial, denn: Ärzte und Pfleger sind auch nur Menschen, und Menschen sind angesichts wachsender Auswahlmöglichkeiten schnell überfordert.

Das kann auf Kosten der Patienten gehen, was im Spitalwesen häufiger als notwendig passiert. „To Err is Human“, eine im Jahr 2000 veröffentlichte Studie, schätzt, dass medizinische Fehler die Ursache für bis zu 98.000 Todesfälle pro Jahr in amerikanischen Krankenhäusern sind – doppelt so viele wie Todesfälle im Strassenverkehr.

Es steht fest, dass die immer komplexer werdende Gesundheitsversorgung in Krankenhäusern vereinfacht werden muss. Momentan passieren dort medizinische Fehler häufiger als in den 1960er Jahren, als ein Kinderarzt höchstens ein paar Dutzend verschiedene Medikamente kennen musste. Heute sind es über tausend.

Luftfahrt und produzierende Industrie als Vorbild

Um einen Krankenhausaufenthalt für Patienten sicherer zu gestalten, orientieren sich Spitäler in Industriestaaten immer stärker an den Ideen der produzierenden Industrie oder Luftfahrt:

“Lean” is one of the popular industrial- management theories taken from manufacturing. It suggests that hospitals should study a patient’s “flow” through the building much as a car is monitored through the production line. That way bottlenecks and other inefficiencies can be spotted.

In der Luftfahrt müssen Piloten seit einigen Jahren Checklisten abhaken. Und auch in Krankenhäusern führen Chirurgen, Anästhesisten und Krankenschwestern diese einfache Übung durch, bevor ein Patient operiert wird.

Die Evidenz, ob diese Strategien die Patientensicherheit tatsächlich erhöht, fehlt allerdings noch. Eine Literaturrecherche ergab, dass nur 19 von 207 Artikeln über die Auswirkungen von “Lean” -Methoden von Experten überprüft wurden und quantifizierbare Ergebnisse aufwiesen. Ähnlich verhält es sich mit den Checklisten.

Was bereits Wirkung zeigt, ist der Versuch, mittels Nudging diverse Biases des medizinischen Personals zu mildern. Etwa der “Default Bias”, also die Tendenz, dem Status Quo zu folgen, tritt in der klinischen Praxis stark auf. Die meisten Ärzte halten etwa blind die verschreibungspflichtigen Dosierungen ein, welche von der elektronischen Krankenakte vorgeschlagen werden (und manchmal zu hoch sind).

Es hat sich gezeigt, dass Handlungsabläufe sicherer werden, wenn Ärzte sich für ein Opt Out entscheiden müssen. Zum Beispiel wurden bisher nur 15% der Patienten mit Herzinfarkt auf eine kardiologische Rehabilitation geschickt, weil Ärzte im Vorfeld ein sehr langes Formular ausfüllen mussten. Sobald die Empfehlung für eine Reha zur Standardeinstellung mutierte und die  Formulare bereits ausgefüllt bereitgestellt wurden, stieg die Rate auf 85%.

Abschliessend noch ein weiteres schönes Beispiel für die Macht der Default Option:

[…] when doctors had to write out the units of the drug to be prescribed they often made mistakes—milligrams instead of micrograms, for example. The Helix team redrew the form so that doctors just had to circle a pre- written unit.

Quelle: COVENTRY, Hospitals are learning from industry how to cut medical errors, economist.com, June 28th, 2018