Richard Thaler im Interview: „Unternehmen müssen zwischen schlechten Entscheidungen und Pech unterscheiden“

Der Verhaltensökonom erklärt, warum Notizen diverse Biases entlarven können, Diversität für Organisationen ein Segen ist – und die Digitalisierung in allen Bereichen von immensem Nutzen ist.

Richard Thaler im Interview: „Unternehmen müssen zwischen schlechten Entscheidungen und Pech unterscheiden“

Richard „Dick“ Thaler, Verhaltensökonom und Nobelpreisträger, gab McKinsey Quarterly ein Interview zu verschiedenen, besonders für Unternehmen relevante Themen der Behavioral Economics. Ausschnitte des Interviews sind hier nachzulesen oder als Kurzvideos anzusehen.

Eine seiner Kernbotschaften lautet: „Write stuff down“. Denn wenn sich ein Produkt nach Markteinführung als Flop erweist, meint zumindest einer der Verantwortlichen garantiert, er habe von Anfang an Zweifel daran gehabt. „Hindsight Bias” nennt man diesen kognitiven Trugschluss.

Mit Notizen kann man sich auch später in Erinnerung rufen, dass alle Beteiligten vor der Markteinführung dieselben Annahmen hatten und natürlich nicht wissen konnten, dass etwa die Konkurrenz ein besseres Produkt in der Pipeline hatte.

Das Niederschreiben braucht man nach Thaler auch für Feedback an den Chef. „Debiasing the boss“ nennt er diesen Vorgang, wenn Mitarbeiter ihren Vorgesetzten auf unrunde Entscheidungen hinzuweisen versuchen, die der Firma schaden können. Für ein solch mutiges Vorgehen sind unterschiedlich denkende Mitarbeiter nötig. Diversität tue einer Organisation daher sehr gut, so Thaler:

[…] you go into a lot of companies where everybody looks the same and they all went to the same schools. They all think the same way. And you don’t learn.

Der Nutzen der digitalen Revolution

Auch die neuen Technologien spricht Richard Thaler an. Er sieht grosse Chancen im Gesundheitssektor, wo etwa Diabetes-Patienten mit Apps daran erinnert werden können, ihre Medikamente regelmässig zu nehmen. Auch Einstellungsgespräche können effizienter ablaufen, wenn sie online als strukturiertes Interview geführt werden, anstatt im persönlichen Gegenüber von unterschiedlichen Biases gestört zu werden. Mit kleinen Ausnahmen:

If a doctor is hiring a nurse that’s going to work in a small office, it’s important that you get along. But if you’re hiring somebody that’s going to come to work in a big, global company, the chance that the person interviewing that candidate will work with that candidate is infinitesimal. So we don’t really care what the interviewer thinks of the interviewee. We care whether the interviewee will add something to the organization.

Quelle: Bill Javetski, Tim Koller, Debiasing the corporation: An interview with Nobel laureate Richard Thaler, McKinsey Quarterly, May 2018