Digitaler Wandel: Warum Vertrauen in die Mitarbeiter höhere Produktivität verspricht

Arbeitnehmer reagieren auf flexible, vertrauensvolle Arbeitsverhältnisse am ehesten mit positiver Reziprozität, zeigt eine Studie. Voraussetzung dafür ist eine gemeinsame Wertebasis.

Digitaler Wandel: Warum Vertrauen in die Mitarbeiter höhere Produktivität verspricht

Vertrauen ist gut, Kontrolle besser. Letztere hat aufgrund immer komplexerer Compliance-Auflagen in Unternehmen und Behörden massiv zugenommen, was sich oft wenig positiv auf das zwischenmenschliche Klima innerhalb einer Organisation auswirkt.

Die Digitalisierung und die damit verbundene Arbeitsflexibilisierung bietet neue Anlässe, um Arbeitgeber zu stärkeren Kontrollmassnahmen greifen lassen. 2015 arbeiteten schon sechs von zehn Beschäftigten zumindest gelegentlich per Internet ausserhalb der Firma, meistens in Form von Home Office. Wieviel Arbeitszeit dort tatsächlich vor dem Rechner verbracht wird, entzieht sich der Kenntnis des Arbeitgebers.

Strenge Regulierungen sorgen aber laut Studien eher für schlechte Stimmung zwischen Chef und Untergebenen:

[…] Compliance-Management bedeutet, dass es verstärkt zu Monitoring und Kontrollen im Unternehmenskontext kommt. Auch führen solche Systeme vermehrt zu Komplexität, Belastung und Inflexibilität (Ernst & Young, 2016) und sollten gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung und Flexibilisierung der Arbeitswelt einer kritischen Prüfung unterzogen werden.

So steht es im Abstract einer deutschen verhaltensökonomischen Studie, die sich mit der Zufriedenheit von zukünftigen Führungskräften in Sachen unternehmensinternen Vertrauen und Kooperation auseinandersetzte. 282 Studierende an der IW Akademie zwischen 20 und 35 Jahren wurde mit der Frage konfrontiert, wie sie sich beim Vertrauensspiel verhalten würden:

Im Vertrauensspiel interagieren zwei Teilnehmer, A und B, miteinander. Teilnehmer A erhält 5 Euro. A kann entscheiden, ob er die 5 Euro an Person B weitergibt oder nicht. Behält A den Betrag, erhält Teilnehmer B nichts. Sofern Teilnehmer A den Betrag an Teilnehmer B weitergibt, wird er auf 20 Euro erhöht. Teilnehmer B kann die 20 Euro dann entweder komplett für sich behalten oder die Hälfte an A abgeben.

Eigene Grosszügigkeit wird nicht von anderen vorausgesetzt

Per Fragebogen mussten die Teilnehmenden angeben, wie sie sich in der jeweiligen Rolle verhalten würden und was sie sich von ihrem Mitspieler erwarten. Die grosse Mehrheit – 71 Prozent – zeigte grosses Vertrauen und gab Geld an den unbekannten Teilnehmer B weiter. Gleichzeitig wurde angenommen, dass nur 58 Prozent der anderen ähnlich grosszügig handelt. Als Teilnehmer B gaben 81 Prozent der Probanden die Hälfte des Beitrags an A zurück. Und auch hier glaubte man, dass die anderen nicht ganz so freigiebig sein würden.

Es wurde ausserdem ein Kooperationsspiel und ein Diktatorspiel durchgeführt. Auch hier bestätigten die Ergebnisse den Vertrauenswillen und die Kooperationsfähigkeiten der Nachwuchsführungskräfte.

Damit werden verhaltensökonomische Untersuchungen bestätigt, die herausgefunden haben, dass eine lockere Leine mit positiver Reziprozität belohnt wird – teilweise mit bis zu doppelt so hoher Arbeitsanstrengung. Sobald Unternehmen ihren Arbeitnehmern flexiblen Spielraum in der Festlegung der Arbeitszeiten- und örtlichkeiten einräumen, ist das Vertrauensverhältnis am grössten. Voraussetzung dafür ist aber eine gemeinsame Wertebasis und gemeinsam definierte Ziele. Dazu sind physische Zusammentreffen zumindest zu Beginn eines Projekts ratsam.

Dennoch, so das Fazit der Studie,

müssen Kontrollen nicht per se negativ sein. Im Sinn der Verhaltensökonomik bietet eine wertschätzende Kontrolle durch die Führungskraft – zum Beispiel durch Vorbildfunktion, persönliche Rücksprachegespräche oder Anreize, die Kooperation unterstützen – eine Möglichkeit, regelkonformes Verhalten ohne direkte Kontrollen zu fördern.

Quelle: Dominik Enste / Mara Grunewald / Louisa Kürten, IW-Trends 2/2018. Vertrauenskultur als Wettbewerbsvorteil in digitalen Zeiten, iwkoeln.de