Wie virale Kampagnen entstehen – und wie man sie am Leben erhält

Social Media sind ideale Plattformen für virtuellen Altruismus mit teils immensem Spendenaufkommen. Wissenschaftler untersuchen, wie diese Hilfsbereitschaft aufrecht erhalten werden kann und wie neben dem Spassfaktor der jeweilige Grund für die Kampagne nicht aus dem Blickfeld gerät.

Wie virale Kampagnen entstehen – und wie man sie am Leben erhält

Wer erinnert sich noch an die Ice Bucket Challenge? Oder besser: Wofür stand die Aktion, die sich 2014 rasant auf Social Media verbreitete? Menschen aus aller Welt schütteten sich einen Kübel Eiswasser über den Kopf, um auf die degenerative Nervenerkrankung ALS aufmerksam zu machen und Spenden für die Erforschung entsprechender Gegenmittel zu sammeln.

Die Verbreitung der Aktion war atemberaubend: Über 28 Millionen Menschen nahmen teil, die dazugehörigen Videos wurden über zehn Milliarden Mal von rund 440 Millionen Usern weltweit angesehen. Spendengelder im Ausmass von über 115 Millionen US-Dollar gingen an die ALS Association.

Intrinsische versus extrinsische Motivation

Allerdings ebbte die heftige Welle an Altruismus so plötzlich wieder ab wie sie gekommen war. Ein Versuch der Wiederbelebung im Jahr 2015 scheiterte. Wissenschaftler vermuten als Ursache folgendes:

One primary behavioural scientific explanation for the notably short half-life of these types of viral campaign is that they mainly leverage ‘extrinsic’ incentives to do ‘good’, rather than cultivating an internally sourced ‘intrinsic’ motivation to help others.

Ob Altruismus intrinsiv oder extrinsisch motiviert ist, spielt für die Nachhaltigkeit der daraus entstehenden Aktionen eine Rolle. Sobald soziale Incentives nicht mehr aufrecht erhalten werden, gehen auch die Hilfsmassnahmen zurück. Im schlimmsten Fall kann es auch passieren, dass extrinsische Motivatoren wie Wettbewerbe das moralische Empfinden ganz auslöschen, also die Lust am Gewinnen grösser wird als die Bereitschaft, einer guten Sache zu dienen.

Methoden, um diesem Dilemma zu entkommen, zeigt das erfolgreiche Movember Movement, das 2003 in Australien gestartet wurde und im Dienste der Männergesundheit jährlich wachsende Spenden-Einnahmen im mehrstelligen Millionenbereich verzeichnet. Um Teil dieser Bewegung zu sein, lassen sich Männer Schnauzbärte wachsen und nehmen an regelmässigen Events teil. Wissenschaftlich lässt sich dieser längerfristige Erfolg so erklären:

One reason for its sustained success may be that the movement is framed around a recurring yearly event rather than completion of a single action or behaviour. Moreover, the incentive seems to be intrinsic, as it allows members to define their identity as part of a larger social movement.

Quelle: Sander van der Linden, The nature of viral altruism and how to make it stick, Nature Human Behavior, 13. February 2017