Stefanie Stantcheva: Die Ökonomin, die das Grüne im Grau der Zahlen findet

In ihrer neuesten Studie „Fighting Climate Change: International Attitudes Toward Climate Policies“ beleuchtet Harvard-Ökonomin Stefanie Stantcheva gemeinsam mit ihren wissenschaftlichen Kollegen Antoine Dechezlepretre, Adrien Fabre, Tobias Kruse, Bluebery Planterose und Ana Sanchez Chico wie ökonomische Anreize und Steuern den Weg zu einer nachhaltigeren Zukunft ebnen können.

Stefanie Stantcheva: Die Ökonomin, die das Grüne im Grau der Zahlen findet
Stefanie Stantcheva. Foto: Tyler Smith

In einer Welt, in der der Klimawandel eine immer dringendere Bedrohung darstellt, ist das Verständnis der öffentlichen Meinung zur Klimapolitik von entscheidender Bedeutung. Die visionäre Harvard-Ökonomin Stefanie Stantcheva – am 28.  Februar zu Gast bei der bei der Digital Academy of Behavioral Economics – bringt Licht ins Dunkel der Umweltpolitik. Gemeinsam mit ihren wissenschaftlichen Kollegen hat sie eine bahnbrechende Studie vorgelegt, die nicht nur ein Aufruf zum Handeln ist, sondern auch ein Leitfaden darstellt, wie Steuern und Subventionen nicht als Bürde, sondern als Schlüssel zum Erfolg in der Umweltkrise genutzt werden können. Die umfangreiche Befragung, durchgeführt von einem internationalen Team von Forschern, erfasste die Meinungen von über 40.000 Teilnehmern aus 20 Ländern. Diese Länder repräsentieren zusammen 72 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen, was der Studie eine breite und vielfältige Basis für ihre Schlussfolgerungen bietet.

Breite Anerkennung des Klimawandels, Unterschiede in der Wahrnehmung

Die internationale Studie zeigt bei manchen Themen ein überraschend einheitliches Bild: Die Existenz des Klimawandels wird weltweit von der überwiegenden Mehrheit anerkannt. In den meisten Ländern zweifeln weniger als zehn Prozent der Menschen an seiner Existenz, wobei in Australien, Frankreich und den USA der Skeptikeranteil leicht höher ist und etwa 12 bis 13 Prozent beträgt. Es zeichnet sich eine klare Mehrheit ab, die den Klimawandel auf menschliche Aktivitäten zurückführt: Ein Drittel ist überzeugt, dass vor allem menschliches Handeln dafür verantwortlich ist. In verschiedenen Ländern glauben zwischen 60 und 90 Prozent der Befragten, dass menschliche Aktivitäten maßgeblich zum Klimawandel beitragen. Diese Ergebnisse spiegeln eine weltweite Sensibilisierung für die Thematik und die Dringlichkeit eines globalen Handlungsbedarfs wider. Die meisten Befragten können auch einige Folgen des Klimawandels, wie Meeresspiegelanstieg und extreme Wetterereignisse, korrekt identifizieren, aber es besteht Verwirrung über die Auswirkungen auf Phänomene wie Vulkanausbrüche. Viele unterschätzen jedoch die notwendige Reduktion von Treibhausgasemissionen, um die globale Erwärmung zu stoppen, und haben teilweise falsche Vorstellungen über den CO2-Fußabdruck von Kernenergie. Die Einschätzung der Emissionen von Verkehrsmitteln variiert je nach Land und Verfügbarkeit von kohlenstoffarmen Alternativen. Außerdem werden die CO2-Emissionen von Ländern wie China und der EU oft falsch eingeschätzt.

Klimazukunft: Skepsis in reichen Ländern, Optimismus in Entwicklungsländern

Laut Studie sind die Zukunftserwartungen in Hochverdienerländern überwiegend pessimistisch. Weniger als 40 Prozent der Befragten glauben, dass es technisch möglich ist, Treibhausgasemissionen bis zum Ende des Jahrhunderts zu stoppen, ohne Lebensstandards zu beeinträchtigen. Noch weniger, unter 20 Prozent, sind der Meinung, dass die Welt in 100 Jahren wohlhabender sein wird. Viele befürchten, dass der ungebremste Klimawandel das Aussterben der Menschheit zur Folge haben könnte. Im Gegensatz dazu zeigen sich Menschen in Mittelverdienerländern besorgter, aber auch optimistischer bezüglich der Fähigkeit, den Klimawandel zu bekämpfen. In klimawandelanfälligen Ländern, wie Indien, glauben 72 Prozent an einen direkten Einfluss des Klimawandels auf ihr Leben, verglichen mit nur 16 Prozent in Ländern wie Dänemark. Diese Befunde unterstreichen die unterschiedlichen Wahrnehmungen und Bereitschaften zu klimafreundlichem Verhalten und politischer Unterstützung zwischen verschiedenen Ländern und Einkommensgruppen.

Bereitschaft zu umweltfreundlichem Verhalten vorhanden

Stantchevas Studie offenbart, dass etwa die Hälfte der Teilnehmenden offen dafür ist, treibstoffeffiziente oder Elektroautos zu nutzen und das Fliegen zu reduzieren, allerdings abhängig von aktuellen Anreizen. Jedoch besteht wenig Bereitschaft, den Konsum von Rindfleisch und anderen Fleischprodukten signifikant zu verringern, außer in Italien und Indien. Ebenso gering ist die Neigung, das Autofahren stark zu reduzieren oder das Heizen und Kühlen von Wohnungen deutlich einzuschränken. Aber in Hoch- und Mittelverdienerländern befürworten über 55 bzw. 65 Prozent der Befragten Subventionen für kohlenstoffarme Technologien und grüne Infrastrukturinvestitionen. Die Finanzierung dieser Maßnahmen ist jedoch umstritten: Viele präferieren höhere Steuern für Reiche und CO2-Steuern, während zusätzliche öffentliche Schulden oder Kürzungen in Sozial- und Militärausgaben weniger Zuspruch finden. Zudem unterstützen 60 Prozent in Hochverdiener- und 71 Prozent in Mittelverdienerländern Verbote umweltschädlicher Fahrzeuge in dicht besiedelten Gebieten. Die Akzeptanz für ein Verbot von Verbrennungsmotorfahrzeugen fällt jedoch deutlich, wenn keine alternativen Transportmittel angeboten werden. 

Effektivität und Fairness: Schlüssel zur Klimapolitik-Akzeptanz

Stantcheva und ihre Kollegen zeigen auf, dass 70 Prozent der Meinungen zur Klimapolitik durch Überzeugungen und sozioökonomische sowie Lebensstilmerkmale beeinflusst werden. Besonders entscheidend für die Unterstützung der Klimapolitik ist die wahrgenommene Effektivität der Maßnahmen in Bezug auf Emissions- und Verschmutzungsreduzierung, welche 24 Prozent der Meinungsunterschiede erklärt. Dabei spielt auch das Eigeninteresse eine wichtige Rolle: Personen, die glauben, durch eine Politik zu verlieren, neigen weniger zur Unterstützung. Die wahrgenommene Progressivität einer Politik, insbesondere die Auswirkungen auf Geringverdiener, beeinflusst ebenfalls die Meinung.

Die drei Schlüsselfaktoren für die Unterstützung einer Klimapolitik

Die wegweisende Studie der Harvard-Professorin Stantcheva und ihren Kollegen hat entscheidende Einblicke in die öffentliche Unterstützung für klimapolitische Maßnahmen geliefert. Demnach basiert die Zustimmung der Bürger vor allem auf drei Säulen: der wahrgenommenen Effektivität der Maßnahmen zur Senkung der Emissionen, ihrer Gerechtigkeit, insbesondere für einkommensschwächere Haushalte, sowie der finanziellen Auswirkungen auf Einzelpersonen. Experimentell wurde zudem belegt, dass spezifische Informationen zu diesen Aspekten die Unterstützung für Klimaschutzmaßnahmen deutlich erhöhen können, während generelle Informationen über den Klimawandel einen geringeren Effekt zeigen. Diese Erkenntnisse betonen die Wichtigkeit, Klimapolitik sowohl als fortschrittlich als auch gerecht darzustellen, um breite Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen.

Stefanie Stantcheva bei der Digital Academy of Behavioral Economics

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