Informationen lassen sich überall auf der Welt zu jeder Zeit online abrufen, digitale Plattformen gewinnen zunehmend an Bedeutung, die Konkurrenz steigt – die digitale Entwicklung stellt schon seit einigen Jahren eine grosse Herausforderung für die Medienwelt dar. Immer mehr Werbeausgaben fliessen in soziale Medien und Suchmaschinenwerbung. Daher wird Paid Content künftig für das Überleben von Medienunternehmen ein wichtiger Baustein. Der Haken an der Sache ist jedoch: Die Zahlungsbereitschaft für digitalen Content ist gering. Über 80 Prozent würden laut Integral Trendmonitor nicht oder eher nicht für allgemeine Nachrichten zahlen.
Medien in der “Zero Price Trap”
Was sind aus verhaltensökonomischer Sicht die Gründe dafür? Die Referenzpreise und die damit verbundene “Zero Price Trap”. Ob ein Produkt als teuer oder günstig wahrgenommen wird, hängt vom individuellen Referenzpreis ab, den Nutzer von einem Produkt haben. In der Frühphase der Digitalisierungen setzte die Medienwelt auf Reichweite und macht damit den Content frei zugänglich. Der Referenzpreis für digitalen Content wurde somit auf null gesetzt. Bereits kleine negative Abweichungen von einem Referenzpunkt werden als Verlust wahrgenommen. Dieser muss mit einem überproportional hohen Gewinn – etwa den Markenwert oder Premium-Content – kompensiert werden, damit ein Bezahlmodell für digitalen Content erfolgreich sein kann. Ausserdem zeigen Experimente, dass der Referenzpreis “Null” einen besonders starken Verhaltenstreiber darstellt.
Medienkonkurrenz mit hoher Identität
Erschwerend kommt hinzu, dass sich Medienunternehmen laut Identitätsindex von FehrAdvice & Partners in der digitalen Welt schwerer tun relationale Kundenbeziehungen aufzubauen. Diese Art von Beziehung führt dazu, dass sich Kunden mit einem Unternehmen identifizieren. Wenn sich User dem Unternehmen zugehörig fühlen, interagieren sie häufiger mit dem Unternehmen, sind weniger preissensitiv und verhalten sich loyaler gegenüber dem Unternehmen. Eine relationale Kundenbeziehung ist gerade in der Zeit des digitalen Wandels essenziell. Denn vor allem in der digitalen Welt hat sich für die Medienbranche durch Plattformen wie Google oder Facebook eine zusätzliche Konkurrenz etabliert. Und gerade diese Unternehmen können mit einer höheren Identität punkten. Beispielsweise liegt der Identitätswert von Google, WhatsApp und Amazon in Österreich bei über 70, während die Kronen Zeitung als mit Abstand grösste Zeitung in Österreich lediglich einen Wert von 46.4 erreicht.
Wie können Medienunternehmen das Geschäftsmodell von Paid Content in der digitalen Welt nun erfolgreich implementieren?
- Identität
Medienunternehmen müssen Faktoren identifizieren, die identitätsstiftend wirken, diese gezielt stärken und glaubwürdig kommunizieren. Es ist essentiell zu wissen, was die Treiber hinter der Identität sind. Identitätstreiber können in der digitalen Welt durchaus anders sein, als in der analogen Welt, denn Menschen verhalten sich in digitalen Räumen systematisch anders. Da im digitalen Raum der direkte menschliche Kontakt fehlt, können beispielweise die Möglichkeiten zur Partizipation und Interaktion besonders beziehungsstiftend wirken. Mit einer höheren Identität erreichen Medienunternehmen einen wahrgenommenen Qualitätsvorteil und eine geringe Ersetzbarkeit sowie aktive und loyale Leser. - Gamification
Das Beispiel vol.at illustriert, wie Gamifizierung in einer Nachrichtenplattform erfolgreich eingesetzt werden kann, um Engagement und Nutzung zu steigern: User erhalten «Ländlepunkte» als Belohnung für Engagement (bspw. Artikel lesen, teilen, kommentieren). Punkte werden gegen Rewards eingelöst (etwa Tickets für Events, Sachpreise oder exklusive Erlebnisse). Level und Badges dienen als personalisierte Anreizsysteme, um den Spieltrieb zu fördern. Interaktive Spielelemente wie Quizzes oder Foto-Votings führen zu gesteigerter Interaktivität. Der Effekt dieser Gamification-Maßnahmen: Über 10.000 Neu-Registrierungen, die Use Time konnte von 3:42 min auf 6:30 min gesteigert werden. - Social Proof
Menschen orientieren sich in ihrem Entscheidungsverhalten oft an dem, was andere tun. Medienunternehmen können dieses menschliche Bedürfnis, gesellschaftlichen Vorstellungen zu entsprechen, nutzen, um das Engagement der User zu erhöhen. Durch einen Hinweis wie «85 Prozent der Leser wählten diese Option» wird den Nutzern eine soziale Norm aufgezeigt. - Mental Accounting
Medienunternehmen können ihren Paid Content in einer Kategorie framen, für die Menschen eine höhere Zahlungsbereitschaft aufweisen. Beispielsweise kann ein Framing als Weiterbildung anstatt Nachrichten helfen, da Menschen bereit sind mehr Geld für Weiterbildung auszugeben, als für Nachrichten. - Entscheidungsarchitektur
Menschen bewerten Alternativen immer relativ zueinander. Medienunternehmen sollten mehrere Optionen anbieten und den Nutzern die Wahl lassen sich zu entscheiden. Dabei sollte die bevorzugte Option am attraktivsten gestaltet werden. In einem Experiment hat The Economist neben dem Online-Abonnement (59 Euro) und dem kombinierten Print-Online-Angebot (125 Euro) auch eine dritte Abo-Variante eingeführt: ein reines Print-Angebot zum gleichen Preis wie das Kombi-Paket. Obwohl sich niemand für dieses dritte Angebot entschieden hat, liess es das Kombi-Angebot attraktiver erscheinen. Während davor nur 32 Prozent das Print-Online-Abo wählten, waren es danach bereits 84 Prozent. - Experimente
Medienunternehmen sollten Prototypen entwickeln und testen. So holen sie durch Experimente systematisch Feedback von ihren Lesern ein und wissen genau, was bei Ihnen funktioniert. Dies eröffnet auch die Möglichkeiten, das Geschäftsmodell systematisch an veränderte Anforderungen zu adaptieren.
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