Ohne dass es den meisten Menschen bewusst ist, arbeiten lernende Algorithmen still und heimlich im Hintergrund. Sie ermöglichen es, über Fingerabdruck- oder Gesichtserkennung Smartphones zu entsperren, helfen bei der Spracherkennung und identifizieren Routen mit dem geringsten Verkehrsaufkommen. Lernende Algorithmen leisten heute aber auch wertvolle Dienste in der medizinischen Diagnose, steuern selbstfahrende Autos und unterstützen Unternehmen dabei, gewaltige Datenmengen zu strukturieren und zu analysieren, um bessere Entscheidungen zu treffen.
“Wissenschaft und Technologie sind heute wichtiger als je zuvor”, so David Bosshart, CEO des GDI Gottlieb Duttweiler Institute for Economic and Social Studies, gleich zu Beginn der Academy of Behavioral Economics 2019 vor rund 100 Entscheidungsträgern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Für ihn steht eines fest: Mehr noch als bei anderen technischen Innovationen in der Vergangenheit, stellt die Nutzung von künstlicher Intelligenz für Unternehmen einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil dar. “Im Zusammenspiel mit Erkenntnissen aus der Verhaltensökonomie helfen digitale Technologien Unternehmen dabei, strategische Vorteile zu gewinnen”, so Bosshart.
“Die Verfügbarkeit von gewaltigen Datenmengen ermöglicht es lernenden Algorithmen heute, die Genauigkeit von Prognosen gewaltig zu steigern”, so Dan Goldstein, Principal Researcher bei Microsoft Research, im Rahmen seines Vortrags. Klar ist für den Experten aber auch, dass die offensichtliche Überlegenheit der Maschinen in vielerlei Hinsicht die Menschen verunsichert. Vor allem Unternehmen müssen daher für sich selbst definieren, wie das Zusammenspiel mit künstlicher Intelligenz ablaufen soll und welche Rolle dabei die Mitarbeiter aus Fleisch und Blut spielen.
Kein langfristiger Arbeitslosigkeitstrend
Dass die Angst davor, von einer Maschine ersetzt zu werden, grundsätzliches nichts Neues ist, zeigte MIT-Professor John van Reenen eindrucksvoll auf. “Auch zu Zeiten der Erfindung der Dampfmaschine bzw. der industriellen Revolution war das nicht anders”, so Van Reenen. Auch damals seien althergebrachte Arbeitsplätze und Tätigkeiten obsolet geworden, gleichzeitig aber auch neue entstanden. “Einen erkennbaren langfristigen Trend im Anstieg der Arbeitslosigkeit gab es damals dennoch nicht”, beruhigte Van Reenen. Nachsatz: “Im Zusammenhang mit der Nutzung künstlicher Intelligenz wird das nicht anders sein.”
Klar ist aber auch, dass die Nutzung künstlicher Intelligenz neue Fähigkeiten bzw. die Bereitschaft, Veränderungsprozesse zuzulassen, erfordert. “Gerade in Zeiten des Wandels – wie wir sie derzeit erleben – benötigen Unternehmen talentierte Rebellen”, so Francesca Gino von der Harvard Business School. Der Hintergrund: Dank ihrer Unangepasstheit und der Tendenz, die Dinge zu hinterfragen, helfen Rebellen Unternehmen dabei, tragfähige Lösungen und Produkte zu entwickeln. Welche Rolle in diesem Zusammenhang eine entsprechende Unternehmenskultur spielt, betonte Ernst Fehr, Professor für Mikroökonomie und Experimental Research an der Universität Zürich. “Sie muss unter den Mitarbeitern Kooperation und Vertrauen unterstützen und ist die Basis für Veränderung sowie eine experimentelle Herangehensweise”, so Fehr.
“Gut designte Experimente, die ohne viel Aufwand und Kosten schnell durchgeführt werden können, sind der Schlüssel, um Erkenntnisse zu gewinnen und in weiterer Folge Lösungen zu entwickeln”, so Michael Schrage vom MIT Center for Digital Business im letzten Vortrag des Tages. Wie wichtig das ist, steht für ihn ausser Frage. Unternehmen, die nicht bereit sind zu experimentieren, stellen ihre langfristige Überlebensfägigkeit aufs Spiel. Die einst weltgrösste Videothekenkette Blockbuster, die 2010 Insolvenz anmeldete, ist nur ein Beispiel unter vielen. “Jedes einzelne Unternehmen auf der Welt muss sich heute Gedanken darüber machen, wie es vom maschinellen Lernen profitieren kann”, brachte es Schrage auf den Punkt.