Gutes Management bringt den entscheidenden Wettbewerbsvorteil

Für den US-Ökonomen John van Reenen steht fest: Wenn Unternehmen das Thema Management ernst nehmen, dann lassen sie die Konkurrenz auch in einem schwierigen Wettbewerbsumfeld deutlich hinter sich.

Gutes Management bringt den entscheidenden Wettbewerbsvorteil
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Die Vorgehensweise ist immer dieselbe: Wenn die Danaher Corporation, ein US-Mischkonzern mit weltweit mehr als 60.000 Mitarbeitern, ein Unternehmen übernimmt, werden die Führungskräfte der neuen Tochter mit dem „Danaher Business System“, einer Reihe von Managementmethoden, die darauf abzielen, Firmen systematisch zu verbessern, vertraut gemacht. Augenzeugen berichten von „Augen-öffnenden Erfahrungen“. Dabei handelt es sich bei der „Danaher-Philosophie“ um keine Neuerfindung des Rades. Sie basiert vielmehr auf dem in den 70er und 80er Jahren entwickelten Toyota Produktionssystem. Es geht also darum, eine bewährte Managementmethode anzuwenden – allerdings in höchster Perfektion.

In MBA-Programmen wird den Studierenden heute hingegen etwas anderes vermittelt: Unternehmen könnten nicht erwarten, auf Basis von internen Managementkompetenzen im Wettbewerb zu reüssieren, da diese zu einfach nachzuahmen wären. Operative Exzellenz – sprich das gleiche zu machen wie andere Unternehmen, dafür aber außerordentlich gut – sei nicht der Schlüssel zu nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen, so die Lehrmeinung. Vielmehr gelte es, eine unverwechselbare strategische Position einzunehmen, also anders zu handeln als die anderen, um sich an der Spitze zu halten.

„Gut gemanagte Unternehmen sind profitabler, wachsen schneller und scheitern auch seltener.“

John van Reenen, Professor für Management und Ökonomie am MIT

Für John van Reenen, Ökonom und Professor am Massachusettes Institute of Technology, steht hingegen fest: Einfache Managementkompetenz ist wichtiger – und schwieriger nachzuahmen – als viele (wie etwa der Ökonom und Harvard Professor Michael Porter) meinen. Das hat auch eine Studie unter 12.000 Unternehmen in 34 Ländern bestätigt. „Unternehmen mit starken Managementmethoden sind nicht nur profitabler und wachsen schneller, sondern scheitern auch seltener“, so van Reenen zu einer zentralen Studienerkenntnis. Diese Firmen könnten nämlich anspruchsvollere Skills, wie Datenanalyse, evidenzbasierte Entscheidungsfindung sowie funktionsübergreifende Kommunikation, entwickeln. Nachsatz: „Gerade darauf kommt es an, um sich in unsicheren, volatilen Industrien behaupten zu können.“

Im Rahmen der angesprochenen Studie, für die van Reenen gemeinsam mit seinem Team mehr als 20.000 Interviews mit Unternehmen aus den Bereichen Fertigung, Healthcare, Einzelhandel und höhere Bildung geführt hat, wurde untersucht, welche Rolle bestimmte Kern-Managementmethoden bei den Studienteilnehmern spielen.  Dabei wurde der Fokus auf 18 Managementpraktiken in den vier Kernbereichen operatives Management, Performance-Überwachung, Zielsetzung und Talente-Management gelegt. Aus den erhobenen Daten geht jedenfalls hervor, dass die Erreichung operativer Exzellenz für viele Unternehmen – quer über alle Länder und Industrien – eine große Herausforderung darstellt.

„Unternehmen mit starkem Management gehen aus dem War for Talents in der Regel siegreich hervor.“

Bei ganzen 11 % wird kein fundiertes Monitoring betrieben. Diese Firmen unternehmen nur geringe Anstrengungen, um Probleme innerhalb der Organisation zu identifizieren und zu lösen. Sie haben auch nahezu keine Ziele für ihre Mitarbeiter definiert, dafür aber Beförderungs- und Belohnungssysteme, die auf Beschäftigungsdauer und Familienbeziehungen basieren. Auf der anderen Seite setzen 6 % der Unternehmen auf rigoroses Performance-Management Systeme, die danach ausgerichtet sind, den Informationsfluss zwischen und über Funktionen hinaus zu optimieren, fortdauernde Verbesserungsprogramme, die kurz- und langfristige Ziele unterstützen sowie Performance-Systeme, die großartige Mitarbeiter belohnen und befördern und gleichzeitig Underperformer aussortieren.

„Wie stark ausgeprägt gewisse Managementmethoden sind, hat starke Auswirkungen auf die Unternehmens-Performance“, hält van Reenen fest. Steigt ein Unternehmen etwa von der Gruppe der schlechtesten 10 % in jene der besten 10 % auf, geht dies mit einer Gewinnsteigerung von 15 Millionen USD, einem um 25 % schnelleren jährlichen Wachstum sowie einer um 75 % höheren Produktivität einher. Besser gemanagte Unternehmen geben auch zehn Mal mehr für F&E aus. Gleichzeitig melden sie zehn Mal so viele Patente an. Damit nicht genug: Sie können auch talentiertere Mitarbeiter für sich gewinnen und kümmern sich mehr um das Wohlergehen ihrer Belegschaft. „Diese Muster zeigen sich in allen Ländern und Industrien“, so van Reenen.

„Warum Firmen scheitern: Manager überschätzen sich selbst.“

Diese Erkenntnisse werfen für den Ökonomen eine zentrale Frage auf: Wenn die Vorteile von Kern-Managementmethoden so augenscheinlich sind, warum konzentriert sich nicht jedes Unternehmen darauf, sie zu stärken? Dass in diesem Zusammenhang eine große Diskrepanz vorliegt, liegt für van Reenen an einer Reihe von Gründen. Einer davon ist intensiver Wettbewerb. Dieser kann einerseits einen Anreiz darstellen, um Ineffizienzen zu reduzieren und andererseits auch das Ende schlecht gemanagter Unternehmen einleiten. Aber auch Arbeitsregulierung kann eine Rolle spielen – sowohl im positiven als auch im negativen Sinne.

Als ein großes Problem hat sich für van Reenen eine verzerrte Selbstwahrnehmung herausgestellt. „Eine überraschend hohe Zahl an Managern ist nicht in der Lage, objektiv zu beurteilen, wie gut (oder wie schlecht) ihr Unternehmen gemanagt wird.“ Die meisten Führungskräfte bewerten die Qualität der Managementmethoden in ihren Unternehmen sehr optimistisch. Es hat sich auch gezeigt, dass zwischen der wahrgenommenen Managementqualität und der tatsächlichen Qualität keine Korrelation vorliegt. Daraus lässt sich ableiten, dass zwischen Selbstwahrnehmung und Realität oft Welten liegen.

Diese große Lücke ist für Van Reenen problematisch, weil sie darauf hindeutet, dass sogar Manager, die ihre Prozesse wirklich verbessern sollten oft nicht die Initiative ergreifen, da sie fälschlicherweise annehmen, alles richtig zu machen. Eine Ausprägung dieses Problems ist, dass Manager die Kosten, die mit der Einführung neuer Prozesse verbunden sind oft überschätzen bzw. unterschätzen was für einen Unterschied ein anderer Prozesszugang ausmachen kann.

„Familienunternehmen werden oft schlechter gemanagt.“

Diese Einschätzung hat ein Feldexperiment bestätigt, das ein Teamkollege von van Reenen unter 28 indischen Textilproduzenten durchgeführt hat. Konkret wurde die Managementberatung Accenture von einem gemeinsamen Projekt der Stanford University und der Weltbank beauftragt, die Managementmethoden der Firmen zu verbessern. Die von Accenture vorgeschlagenen Maßnahmen – wie Qualitätskontrollsysteme, Mitarbeiterbelohnungen und Produktionsplanungen – wurden jedoch nicht übernommen – obwohl sie in den USA und Japan Standard sind. „Das würde hier nie funktionieren“ oder „wir machen die Dinge auf unsere Art“, so die Begründung. Jene Unternehmen, die jedoch die Vorschläge angenommen haben, konnten ihre Performance merklich steigern.

Manager können aber auch sehr wohl von der Notwendigkeit, ihre Prozesse zu verbessern, überzeugt sein, gleichzeitig jedoch nicht in Aktion treten da sie befürchten dadurch private Zielsetzungen zu gefährden. Das ist vor allem in Unternehmen der Fall, die im Besitz von Familien sind bzw. von Familienmitgliedern geführt werden. Laut Van Reenen werden familiengeführte Unternehmen oft schlechter gemanagt. Nur eine Erklärung dafür, dass Familienunternehmen starke Managementmethoden nur widerwillig einführen, ist, dass dies mit signifikanten Personalkosten für die Familienmitglieder verbunden ist.

Das war auch bei Gokaldas Exports, dem größten Bekleidungsexporteur Indiens mit 30.000 Mitarbeitern und einem Unternehmenswert von 215 Millionen USD der Fall. Der Gründer Jhamandas Hinduja hat die Unternehmensführung an seine drei Söhne – von denen jeder wiederum seinen eigenen Sohn in die Firma eingebracht hat – übergeben. Als der Großkunde Nike wollte, dass Gokaldas Lean Management Prozesse einführt und dafür auch einen Berater vorgeschlagen hat, hat der CEO zögerlich reagiert. Er hat seine Skepsis erst abgelegt nachdem die Konkurrenz aus Bangladesch stärker geworden ist, er mehrere Fabriken in Asien und den USA, wo das Lean Management angewendet wird, besucht hat und andere Familienmitglieder interveniert haben.

„Familien-CEOs können eine Gefahr für den langfristigen Erfolg ihrer Unternehmen darstellen.“

„Selbstreflexions-Übungen können Familien-CEOs helfen klarzustellen, ob ihnen der langfristige Erfolg ihres Unternehmens wichtiger ist als „der Boss zu sein“ – auch wenn das bedeutet den Erfolg mit externen Managern zu teilen“, so van Reenen. Oft sei es Familien-Managern nämlich nicht bewusst, dass ihr Machtanspruch dem langfristigen Wachstum und Erfolg ihres Unternehmens gefährden könne. „Familien-CEOs müssen verstehen, dass die Einführung neuer Managementexpertise nicht zwangsläufig mit einem Kontrollverlust einhergeht“, so van Reenen. Sie würden zwar in der Regel eine andere Rolle einnehmen, aber nicht weniger Verantwortung tragen.

Als positives Beispiel, nennt van Reenen in diesem Zusammenhang Moleskine. 1997 von drei Freunden gegründet, hat sich das Unternehmen in nur wenigen Jahren von einem Nischenhersteller von Notizbüchern zum Weltmarktführer entwickelt. Der schnelle Erfolg hat die Gründer vor ein Dilemma gestellt: Ihnen war klar, das Moleskine weiter großes Wachstumspotenzial hat. Sie sahen aber auch die dringende Notwendigkeit, ihre Geschäftsprozesse zu professionalisieren. Sie entschieden daher, eine Partnerschaft mit einer Private Equity Firma einzugehen, die sie mit Kapital und Knowhow sowie bei der Suche nach einem neuen CEO unterstützen könnte.

Die Moleskine-Gründer entschieden sich schließlich für Syntegra Capital und Arrigo Berni, einen erfolgreichen Manager, der zuvor führende Positionen bei einigen familiengeführten Luxusgüterherstellern innegehabt hatte, an Board zu holen. Berni professionalisierte Strategieentwicklung und Geschäftsprozesse und schuf gleichzeitig neue Rollen für die Gründer in denen sie ihre Geschäfts- und Design-Expertise einbringen konnten. Dank der erfolgreichen Partnerschaft – sowie dem Börsegang 2013 – konnte Moleskine seinen Wettbewerbsvorteil weiter ausbauen und neue globale Wachstumschancen entwickeln.

„Manager müssen ihren Mitarbeitern signalisieren, wie wichtig Veränderung ist.“

Die Einführung von Kern-Managementmethoden kann aber selbst dann eine Herausforderung darstellen, wenn es dem Top-Management bewusst ist, was getan werden muss und motiviert ist, die notwendigen Veränderungen einzuleiten. „Wenn sich nicht alle Stakeholder im Unternehmen darauf einlassen, so werden die Bemühungen des Managements vergeblich sein“, so van Reenen und verweist auf das Beispiel General Motors. Der US-Autokonzern hat in den 80ern und 90ern versucht das bewährte Toyota Produktionssystem einzuführen, sich damit aber aufgrund von Vorbehalten der Belegschaft schwer getan. Die Fertigungsarbeiter waren nämlich der Ansicht, dass eine – auf die überlegenen Toyota-Managementmethoden zurückgehende – Produktivitätssteigerung mit einem Stellenabbau einhergeht.

Die große Frage, die sich hier stellt ist, wie kann das Top-Management – trotz unterschiedlicher Interessen – die Mitarbeiter von den Vorzügen neuer Managementmethoden überzeugen? Für van Reenen gibt es dafür eine Lösung: das Management muss präsent sein. „Wir haben im Rahmen unserer Forschungstätigkeit gesehen, dass jene Unternehmen erfolgreich waren, in denen eine hohe Führungskraft über persönliches Engagement, umfassende Kommunikation und Visibilität signalisiert hat, wie wichtig Veränderung ist“, so van Reenen. Weitere Einblicke in seine Forschungstätigkeit, wird der US-Ökonom bei der „Academy of Behavioral Economics 2019“ geben. Wer sein Unternehmen nachhaltig auf Erfolgskurs bringen möchte, sollte sich diesen Termin nicht entgehen lassen.

Academy of Behavioral Economics 2019
Bessere Entscheidungen im Zeitalter von Künstlicher Intelligenz

Datum: 30. Jänner 2019

Ort: GDI Gottlieb Duttweiler Institute
Langhaldenstrasse 21, 8803 Rüschlikon

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