Bisher galt die Weisheit der Vielen (Wisdom of Crowds) als gut belegt: Die asymmetrische Verteilung von Informationen innerhalb einer Gruppe führt zu gemeinsamen Entscheidungen, die oft besser sind als Lösungen individueller Teilnehmer. Dazu wurde schon früh ein schöner Beweis erbracht, wie die MIT Technology Review berichtet:
Way back in 1906, the English polymath Francis Galton visited a country fair in which 800 people took part in a contest to guess the weight of a slaughtered ox. After the fair, he collected the guesses and calculated their average which turned out to be 1,208 pounds. To Galton’s surprise, this was within 1 percent of the true weight of 1,198 pounds.
Gabriel Madirolas und Gonzalo De Polavieja vom Cajal Institute in Madrid fanden heraus, dass Einschätzungen von Gruppenmitgliedern in Summe zwar tatsächlich zu einer stimmigen gemeinsamen Entscheidung führen können. Aber sobald externe Faktoren auftreten oder sich die Individuen gegenseitig beeinflussen, unterliegt auch der gemeinsame Entscheid einer Verzerrung.
Um diesen Bias zu schwächen, plädieren die spanischen Neurobiologen Gonzalo De Polavieja und Gabriel Madirolas im aktuellen Paper “Wisdom of the Confident: Using Social Interactions to Eliminate the Bias in Wisdom of the Crowds” für die “Weisheit der Selbstbewussten”: Dazu müssten leicht beeinflussbare Individuen und jene mit starkem Selbstvertrauen in zwei Untergruppen geteilt werden, so die Autoren. Ihre These: Die Entscheidung der Gruppe mit den unabhängigen Denkern sollte dann auch die weisere sein.
Wie lange ist die Grenze der Schweiz zu Italien?
Um dies zu überprüfen, analysierten die Wissenschaftler eine Studie, in der Probanden die Länge der Schweizer Grenze zu Italien schätzen mussten. Manchen Teilnehmern wurden vor der nächsten Fragestellung die Ergebnisse anderer Gruppen gezeigt, was in Folge die Antworten deutlich verzerrte. Mit Hilfe eines mathematischen Modells wurde berechnet, wie stark die Studienteilnehmer die präsentierten Einschätzungen gewichtet hatten:
Madirolas and De Polavieja then set about creating a mathematical model of how individuals incorporate this extra information. They assume that each person comes to a final estimate based on two pieces of information: first, their own independent estimate of the length of the border and second, the earlier combined estimate revealed to the group. Each individual decides on a final estimate depending on the weighting they give to each piece of information.
Die Forscher fanden heraus, dass der Median jener Gruppe, die dem sozialen Einfluss widerstand und auf der eigenen Einschätzung bestand, vom Median der Gesamtgruppe abwich. Und diese Daten wiederum halfen, den Bias vom “Wisdom of the crowd” zu eliminieren.
Fazit: Eine Entscheidung, die vor allem auf der durchschnittlichen Einschätzungen einer gesamten Gruppe basiert, fällt zumindest in dieser Analyse tendenziell schlechter aus ale eine, die auf die komplexeren Berechnungen von Madirolas und De Polavieja zurück greift. Das Ergebnis ist jedenfalls vielversprechend und bietet grosses Potenzial, um etwa mit Crowdsourcing-Applkationen bessere Resultate zu ermöglichen. Allerdings – und das geben auch die Forscher zu bedenken – sind die Modelle sehr komplex und lassen sich möglicherweise sehr schwer in die Praxis übersetzen.
Quellen:
- arxiv.org/abs/1406.7578 : Wisdom of the Confident: Using Social Interactions to Eliminate the Bias in Wisdom of the Crowds
- MIT Technology Review, Forget the Wisdom of Crowds; Neurobiologist Reveal the Wisdom of the Confident, July 14, 2014