Die Studien zeigen, dass vor allem sogenannte Selbstregulationsfähigkeiten essentiell sind. Dazu gehören beispielsweise das Setzen und Verfolgen von Zielen, Aufmerksamkeit und Fokus ebenso wie Emotionskontrolle.

„Wer im Kindesalter ein hohes Mass an Selbstregulierungsfähigkeiten aufweist, geniesst als Erwachsener einen höheren sozioökonomischen Status“, unterstreicht Schunk die Bedeutung dieser Skills. Gleichzeitig würden Menschen, die als Kinder schwach ausgeprägte Selbstregulierungsfähigkeiten haben, später eher unter gesundheitlichen und finanziellen Problemen leiden. Nachsatz: „Selbstregulierungsfähigkeiten sind für ein erfolgreiches Leben mindestens genauso wichtig wie Schreiben, Lesen und Rechnen.“

Positiv: Selbstregulierungsfähigkeiten werden den Menschen nicht auf Gedeih und Verderb in die Wiege gelegt, sondern sind vielmehr beeinflussbar bzw. können sehr gut trainiert werden. Wie das genau geht, hat der Verhaltensökonom im Rahmen eines spannenden Experiments mit Schulkindern aufgezeigt. Für „Kids-Win“ wurde auf Basis wissenschaftlicher Studien eine kindergerechte Software entwickelt , mit der Schulkinder fünf Wochen lang jeweils eine Stunde am Tag gearbeitet haben.

Das Besondere an der Software: Sie ist adaptiv ausgerichtet und passt sich dem Leistungsstand der Kinder an. „Wer sich etwa bei gewissen Aufgaben schwer tut, bekommt einfach weniger anspruchsvolle gestellt, die besseren Schüler anspruchsvollere“, erklärt Schunk. Das motiviert die Kinder und stärkt ihr Selbstvertrauen. „Auch ein Jahr später hat sich gezeigt, dass bei den teilnehmenden Kinder die Masse für Aufmerksamkeit, Inhibitionskontrolle, Selbstregulierungsfähigkeit und Arbeitsgedächtniszeit signifikant verbessert werden konnten“, so Schunk.

Bildungsungleichheit bekämpfen

Der Verhaltensökonom ist jedenfalls überzeugt, dass mit digitalen Technologien und KI nicht nur wichtige Skills der Zukunft trainiert werden können, sondern sogar der Teufelskreis sozialer Vererbung durchbrochen werden kann. Nach wie vor wären nämlich laut Schunk die Fähigkeiten von Kindern im Wesentlichen von ihrem Umfeld – und vor allem vom Bildungsstand der Eltern – abhängig.
Hier ist insbesondere problematisch, dass sich die Entwicklungslücke, die bereits in sehr frühem Alter zwischen Kindern mit bildungsnahem und –fernem Hintergrund besteht, auch im späteren Leben nicht mehr schliessen lässt.

Schunk verweist auf ein Projekt, das von der US-Organisation „New Classrooms“ an New Yorker Schulen mit hohen Anteilen an Kindern von Sozialhilfeempfängern umgesetzt wurde. Konkret haben die Schüler rund 20 % der Unterrichtszeit Mathematikaufgaben am PC gelöst. Auf Basis der Antworten hat das Programm berechnet, welche Aufgaben am nächsten Tag gelöst werden müssen. „Dadurch wird ein personalisierter Lernkontext geschaffen, die Schüler bekommen unmittelbar Feedback, wo sie sich verbessert haben und wo es noch Luft nach oben gibt“, so Schunk.

Das motivierende Ergebnis: die Schulen, die früher bei den nationalen Mathematikleistungstests weit unter dem US-Durchschnitt abgeschnitten hatten, lagen plötzlich um das 1,7fache über dem nationalen Durchschnitt.

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