Selten war 1994 mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaft ausgezeichnet worden, gemeinsam mit John Harsanyi und dem US-Ökonomen John Nash, dessen Leben 2001 verfilmt wurde (“A Beautiful Mind”).
Er war mit seiner revolutionären Forschung Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts neben Daniel Kahneman, Vernon Smith und anderen einer der Wegbereiter, wenn nicht der wichtigste Vorreiter der Behavioral Economics. Mit seiner Spieltheorie und der damit verbundene Erforschung strategischer Interaktion von Menschen und Institutionen, verhalf er der Disziplin zum Durchbruch.
Die Spieltheorie beschäftigt sich damit, das Verhalten der Menschen in strategischer Situationen zu analysieren und zu erfassen. Dies bedeutete gleichzeitig, dass die Anforderungen an den Homo Oeconomicus immer anspruchsvoller werden.
Prinzipiell ist es in der Regel nicht eindeutig, wie der Homo Oeconomicus in “strategischen Situationen” handeln sollte; es ist nicht eindeutig, welche Verhaltensweise vernünftig ist oder nicht. Technisch formuliert: Es bestehen mehrere Gleichgewichte gleichzeitig. Und die ökonomische Forschung musste Wege finden, Gleichgewichte zu identifizieren, die eher zu progonstizieren sind.
Selten setzte dafür auf kontrollierte Labor-Experimente. Seine ersten Experimente hatten in erster Linie mit der Erforschung neuer Erkenntnisse in einem Teilbereich der Wirtschaftswissenschaften, der Industrieökonomie, zu tun. Sie führten unter anderem zu wichtigen neuen theoretischen Erkenntnissen, wie etwa der Teilspielperfektheit.
Das wichtigste dabei war aber, dass Experimente in der ökonomischen Forschung zunehmend als nützliche Methode akzeptiert wurden, um mehr über das wirtschaftliche Verhalten von Menschen zu lernen. Oder wie Selten einmal sagte: “Immer mehr kam ich zu dem Schluss, dass Ansätze, die über die Annahmen menschlichen Verhaltens spekulierten, wie wir es in unseren bisherigen wissenschaftlichen Arbeit getan hatten, nur von begrenztem Wert sind. Das Konzept des begrenzt rational wirtschaftlichen Verhaltens kann nicht im Bürosessel erfunden werden, es muss experimentell untersucht werden.”
Reinhard Selten wurde am 5. Oktober 1930 in Breslau geboren. Er studierte Mathematik in Frankfurt, wo er 1961 auch promoviert wurde. Nach einer Gastprofessur in Berkeley habilitierte er sich 1968 in Wirtschaftswissenschaften in Frankfurt. Nach Professuren an der Freien Universität Berlin und der Universität Bielefeld folgte er 1984 einem Ruf an die Universität Bonn.