Vergütungsstrukturen im Finanzsektor – eine unendliche Geschichte?

Der Einfluss der Vergütungsstrukturen auf das Risikoverhalten der Bankmitarbeiter bleibt im Fokus von Regulatoren und Aktionärsvertretern. Erkenntnisse der Behavioral Economics können zu neuen Lösungsansätzen beitragen.

Vergütungsstrukturen im Finanzsektor – eine unendliche Geschichte?

Es gibt selten eine Diskussion, die so emotional geführt wird wie die um Vergütung und Boni von Bankern. Sie gelten vielen als jene Faktoren, die ursächlich zur Krise in 2008 beigetragen haben. Daher wurde das Thema auch im September 2009 in das offizielle Communiqué des G-20 Gipfels in Pittsburgh aufgenommen: die Reform der Vergütungspraxis im Finanzsektor sei ein wichtiger Teil der Bemühungen, um wieder Stabilität an den Finanzmärkten einkehren zu lassen. Zwar rücken die Entwicklungen der letzten Monate und die Furcht vor einer erneuten Bankenkrise Fragen der Kapitalausstattung der Banken verstärkt in den Blickpunkt, doch bleiben Vergütungsregelungen auf dem Radarschirm von Regulatoren und Aktionärsvertretern.

Zur erwähnten Reform der Vergütungspraxis hatte die G-20 bereits 2009 einheitliche Regelungen gefordert, um für die global operierenden Institute ein „level playing field“ zu erzeugen. In der Praxis kann davon bisher jedoch keine Rede sein. Zwar hat der Financial Stability Board (FSB) dazu 2009 mit den „Principles for Sound Compensation Practices in Financial Institutions“ weithin akzeptierte Rahmenbedingungen veröffentlicht, doch die nationalen Aufsichtsbehörden haben diese sehr unterschiedlich umgesetzt und für ihren jeweiligen Einflussbereich teilweise stark abweichende Akzente gesetzt.

Krasse Gegensätze zwischen Europa und USA

Während die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA mit ihren für die Schweiz anwendbaren Mindeststandards für Vergütungssysteme noch weitgehend dem prinzipienbasierten Ansatz des FSB folgte, gehen die 2010 durch das Committee of European Banking Supervisors (CEBS) erlassenen Vorgaben für die Länder der EU im Detailierungsgrad weit darüber hinaus. Explizite Regelungen wie z.B. „40-60 % der Boni müssen als aufgeschobene Vergütung einer Festlegung von mindestens 3-5 Jahren unterliegen“ oder „50 % der Boni müssen in Form von aktienbasierten Instrumenten geliefert werden“ lassen hier kaum noch Interpretationsspielraum zu.

Das wiederum steht im krassen Gegensatz zur Situation in den USA, wo die Federal Reserve Bank bisher keine vergleichbaren Regelungen getroffen hat. Das 2010 verabschiedete Reformwerk „Dodd-Frank Act“ hat zwar auch den Boden für vergütungsrelevante Veränderungen bereitet, die sich jedoch noch im Abstimmungsprozess befinden und nach heutigem Kenntnisstand in ihrer Stringenz und Ausgestaltung hinter den in Europa gültigen Standards zurückbleiben. Vor dem Hintergrund dieser unkoordinierten Vorgehensweise der Bankenaufseher haben Analysten von JP Morgan bereits den Begriff der „regulatory arbitrage“ geprägt und auf mögliche Wettbewerbsnachteile der führenden europäischen Banken verwiesen.

Vergütungsregelungen haben die führenden europäischen Banken in den letzten 20 Jahren immer wieder vor erhebliche Herausforderungen gestellt und zu Anpassungen gezwungen. Als die fortschreitende Deregulierung in den USA den Ausbau von Marktanteilen im amerikanischen Markt und den verstärkten Eintritt in das Investment Banking ermöglichte, war die Adaption der bei der amerikanischen Konkurrenz üblichen Vergütungsstrukturen eine notwendige Voraussetzung dafür, die erforderlichen Fachkräfte im Markt gewinnen zu können.

Ich habe gemeinsam mit Hans-Ulrich Doerig diese Entwicklung am Beispiel der Credit Suisse näher analysiert (Hans-Ulrich Doerig/Harald P. Stoehr, What Drives Compensation in Banking, Die Unternehmung, 65. Jg., Sonderheft 1/2011). Der Prozess setzte sich im vergangenen Jahrzehnt mit dem ständigen Bemühen fort, durch innovative Vergütungskonzepte in einer Industrie mit einerseits hoher Abhängigkeit von der Qualität der Mitarbeiter und andererseits extrem kurzen Kündigungsfristen die wichtigsten Talente an das Unternehmen zu binden.

Zwischen Regulierung und Markt

Die Ausweitung der regulatorischen Interventionen und die erwähnten heterogenen Vorgehensweisen haben in den vergangenen beiden Jahren eine weitere Dimension hinzugefügt. Banken wie Credit Suisse, UBS oder Deutsche Bank sind gezwungen, Vergütungskonzepte zu entwickeln, die ihrem Geschäftsmodell entsprechend möglichst weltweit anwendbar sind, die Mindeststandards der europäischen Aufsichtsbehörden erfüllen, gleichzeitig aber zu grosse Nachteile gegenüber der amerikanischen Konkurrenz mit Abwanderungstendenzen in den wichtigen US Niederlassungen vermeiden.

Diese „Quadratur des Kreises“ erfordert eine präzise Kenntnis des regulatorischen Umfelds in den weltweit wichtigsten Märkten und setzt neue Akzente hinsichtlich einer sauberen Governance Struktur mit klar definierten Zuständigkeiten zwischen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung, eines umfassenden Vergütungsreglements sowie der Fähigkeit des Unternehmens, die den Vergütungsregelungen zugrunde liegenden Entscheidungsprozesse gegenüber Regulatoren und Aktionären transparent zu machen.

Fazit:

  • Vergütungsregelungen haben einen erheblichen Einfluss auf die Fähigkeit der Banken, die erforderlichen Talent am Markt anzuwerben und an das Unternehmen zu binden.
  • Banken haben bereits grosse Anstrengungen in der Anpassung ihrer Vergütungskonzepte und der zugehörigen Governance von Vergütungsentscheidungen unternommen, doch steht der Einfluss der Vergütungsstrukturen auf das Risikoverhalten der Bankmitarbeiter weiterhin im Fokus von Regulatoren und Aktionärsvertretern. Erkenntnisse aus dem Bereich Behavioral Economics können hier zu neuen Lösungsansätzen beitragen.
  • Fehlende Koordination in den regulatorischen Interventionen haben in den letzten Jahren zu Verwerfungen und Wettbewerbsnachteilen insbesondere aus der Sicht europäischer Banken geführt.
  • Innovative Vergütungskonzepte müssen nicht nur den Standards der Aufsichtsbehörden genügen, sondern auch für Aktionäre transparent gemacht werden.