Eine Millionärssteuer klingt für viele nach einer guten, weil gerechten Sache. Allerdings ist die Zustimmung – oder Ablehnung – von vielen Faktoren beeinflusst. Dazu gehört auch, ob man im Moment der Entscheidung die Armut anderer wahrnimmt, wie in aktuelles Paper zeigt
Für ein Experiment wurden dazu Unterschriften in einer wohlhabenden Bostoner Gegend gesammelt. Jeder dritte Passant wurde angesprochen und entweder um eine Stimme zugunsten einer Steuer auf Millionenvermögen oder gegen Plastiktüten (als Kontroll-Treatment) gebeten. Insgesamt 2’591 Menschen wurden angesprochen.
Ausserdem heuerte man Schauspieler für die Ausgestaltung der experimentellen Settings an. Sie mimten entweder Obdachlose oder gut gekleidete Menschen, die auf jemanden zu warten schienen. Um im Experiment auch den Faktor Rassismus abzuklären, wurden hell- und dunkelhäutige Akteure gecastet.
Wenn Armut präsent ist, dreht sich die Meinung
Es stellte sich heraus, dass die Zustimmungsrate der Befragten abnahm, sobald es um die Millionärssteuer ging und ein vermeintlich Obdachloser in der Nähe war:
Sands reports support for the plastic-bag petition did not vary depending on who was standing nearby. But participants were, on average, 4.4 percentage points less likely to support the tax if they were “in the presence of a poor person”.
Wenn die mittellose Person auch noch weiss war, leisteten noch weniger eine Unterschrift:
That figure nearly doubled when the purportedly poor person was white. Fourteen percent of people signed the petition to tax millionaires when an apparently well-off white person stood nearby. That number declined to 6 percent when the same actor was impersonating an indigent.
Die Gründe für dieses Verhalten kann die Autorin bisher nur vermuten. Eventuell fühlen sich die vornehmlich weissen Passanten durch einen Obdachlosen mit derselben Hautfarbe unangenehm daran erinnert, dass eine Steuer auf grosses Vermögen auch sie treffen könnte. Die Präsenz eines offensichtlich armen Menschen könnte Beobachter aber auch auf den Gedanken bringen, dass dessen Misere selbstverschuldet ist und nichts mit einem gesellschaftlichen Ungleichgewicht zu tun hat.
Für politische Interventionen, die Vermögenskonzentrationen bekämpfen wollen, bedeuten dieses Ergebnisse vor allem eines: Die Zustimmung zu solchen Vorhaben ist keine feste Grösse, sondern sehr fragil – und oft auch von Faktoren abhängig, die auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar scheinen.