Bei der Konsultation von Ärzten, Mechanikern oder Computerspezialisten sowie beim Fahren mit Taxis in unbekannten Gegenden müssen sich die meisten Menschen auf deren Rat und Expertise verlassen und darauf vertrauen, dass das Richtige zu einem fairen Preis gemacht wird. Wie solche sogenannten Vertrauensgüter (Creedence Goods) und Dienstleistungen verrechnet werden, haben Rudolf Kerschbamer und Daniel Neururer vom Institut für Wirtschaftstheorie, -politik und -geschichte gemeinsam mit Matthias Sutter vom Institut für Finanzwissenschaft in einem Feldexperiment untersucht.
Konkreter Untersuchungsgegenstand ist der Markt für Computer-Reparaturen. „Auf solchen Märkten beobachten wir eine starke Tendenz zu betrügerischem Verhalten der Verkäuferinnen und Verkäufer beziehungsweise jener Personen, die den Laien über notwendige technische Reparaturen informieren“, so Kerschbamer. „Haben die Kundinnen und Kunden einen Versicherungsschutz, der die Reparaturkosten deckt, und sind die Anbieter darüber informiert, dann wird dieses Wissen systematisch ausgenutzt, um mehr für die Reparatur verrechnen zu können.“ Sein Koautor Matthias Sutter ergänzt: „Im Durchschnitt lagen in unserem Experiment die Reparaturkosten für einen Computer ohne Versicherungsschutz bei 70 Euro. Wurde der Dienstleister darüber informiert, dass eine Versicherung die Rechnung übernimmt, dann wurden im Schnitt etwa 80 Prozent mehr verrechnet.“
Versicherte bezahlen mehr
Die Ergebnisse, so die Ökonomen, zeigen deutlich, dass das Wissen über die Kostendeckung von Versicherungen die konsultierten Expertinnen und Experten zur Verrechnung von höheren Kosten verleiten. “So entstehen für die Gesellschaft und die Ökonomie als Ganzes Kosten in Milliardenhöhe.”
In vielen Jobs und auch zu Hause sind die Menschen auf ihre Computer und deren Funktionalität angewiesen. Wird er kaputt, dann haben nur wenige das notwendige technische Detailwissen, um die richtige Fehlerdiagnose stellen zu können. Daher werden typischerweise Expertinnen und Experten zur Begutachtung und Reparatur kontaktiert. Das Vertrauen auf deren Fachwissen sowie die gewissenhafte Erledigung wird dabei vorausgesetzt. Ob die ausgeführten Reparaturen tatsächlich notwendig waren beziehungsweise ob die eingebauten Ersatzteile die entsprechende Qualität aufweisen, kann von den meisten Konsumentinnen und Konsumenten nicht beurteilt werden.
„Die erhöhten Kosten für versicherte Reparaturleistungen fielen vor allem für den Einbau von nicht benötigten Reparaturteilen sowie für die Verrechnung von zusätzlicher Arbeitszeit an“, erklärt Kerschbamer. „Vermuten die Experten, dass eine Versicherung die Kosten trägt, dann kommt es zur Überversorgung mit Ersatzteilen und zur Überbezahlung von Arbeitszeit.“ Im von Kerschbamer und seinem Team durchgeführten Experiment wurden manipulierte Computer in 61 von 251 in Österreich registrierten Reparaturbetrieben abgegeben. „Für unsere Studie kauften wir fünf identische und perfekt laufende Computer. In jedem beschädigten wir bewusst eines der RAM-Module. Die von uns miteinbezogenen IT-Expertinnen und Experten erklärten uns, dass der dadurch verursachte Schaden eine in Fachkreisen bekannte Fehlermeldung produziert“, so Sutter.
Bei der Fehlerbeschreibung im Geschäft verwendeten die Wissenschaftler immer dieselbe Phrase: „Beim Starten des Computers erschien eine Fehlermeldung. Leider kenne ich mich damit überhaupt nicht aus und würde ihn gerne reparieren lassen.“ Mit dem Hinweis auf nicht ausreichendes Fachwissen, verliessen die Ökonomen das Geschäft, nicht ohne noch eine wichtige Information zu den Zahlungsmodalitäten hinzuzufügen. „Die von uns besuchten Reparaturbetriebe teilten wir zufällig in zwei Gruppen. Die Hälfte der Reparaturgeschäfte verliessen wir mit der Bitte um eine Rechnung, um den Betrag anschliessend überweisen zu können. Die andere Hälfte baten wir mit genau demselben Satz um eine Rechnung, allerdings mit dem Zusatz, dass die Kosten schlussendlich von einer Versicherung gedeckt würden“, so Kerschbamer. Dieser Halbsatz führte zur Erhöhung der Kosten um 80 Prozent. „Mit diesem Experiment konnten wir zeigen, dass es für Versicherungen durchaus ökonomisch sinnvoll sein kann, mit Vertragswerkstätten langfristige Bindungen einzugehen, um das Risiko von überhöhten Rechnungen zu vermindern“, so das Fazit der Ökonomen.
Dass es sich hier um ein österreichisches Spezifikum handelt, schliessen die Forscher übrigens aus. In weiteren Untersuchungen soll nun untersucht werden, wie der Effekt in anderen Ländern ausgeprägt ist.
Die Studie ist im Magazin Proceedings of National Academy of Science (PNAS) erschienen: Insurance coverage of customers induces dishonesty of sellers in markets for credence goods»