Ernst Fehr in “20 Minuten”: “Zuerst kommt das Fressen, dann die Moral”

Sven Zaugg hat für “20 Minuten” ein Interview mit Prof. Ernst Fehr geführt – über Fairness in der Gesellschaft, die Grundlagen von Reformen und die Verwerfungen der Globalisierung.

Ernst Fehr in "20 Minuten": "Zuerst kommt das Fressen, dann die Moral"
Ernst Fehr

Herr Fehr, die klassische Ökonomie taumelt wie ein arg angeschlagener Boxer im Ring. Stetiges Wachstum und Gewinnstreben haben in eine Sackgasse geführt. Was muss sich ändern?

Wenn sie Gesellschaften reformieren wollen, dann müssen sie in erster Linie die Institutionen ändern. Und in zweiter Linie die Kultur, die diese Institutionen trägt.

Das bedeutet?

Anreize ändern, denen sich die Wirtschaftsakteure ausgesetzt sehen. Ein unvernünftiges Steuersystem beispielsweise kann ein Hindernis sein für eine positive wirtschaftliche Entwicklung. Man braucht ein Steuersystem, das auch von den Gerechtigkeitsvorstellungen der Menschen getragen wird. Wichtig dabei ist, dass man nicht immer nur den rationalen und vernünftigen Menschen unterstellt, sondern den Menschen aus Fleisch und Blut mit all seinen sozialen Motiven erfasst. Institutionen können nur dann reformiert werden, wenn der Mensch in all seinen Widersprüchen berücksichtigt wird.

Ist denn die Schweizer Wirtschaft gerecht?

In der Schweiz erleben wir – genauso wie in anderen Ländern – die Verwerfungen, die die Globalisierung mit sich bringt. Wir erleben eine Spreizung der Einkommen. Und wir erleben die Reaktion der Zivilgesellschaft auf diese Verwerfungen. Zum Beispiel die Abzocker-Initiative. Niemand kann pauschal sagen, die Schweizer Wirtschaft ist gerecht. Die Schweiz hat es aber geschafft, ein ziemlich vernünftiges System zu entwickeln.

Wie vernünftig?

Die Schweiz ist zweigeteilt. Es gibt in der Schweiz einen nach aussen hin sehr effizienten Sektor, der dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt ist. Und es gibt nach innen verschiedene Wettbewerbshindernisse. Ein Merkmal der Ineffizienz in der Schweiz sind beispielsweise die Preissubventionen im Agrarsektor. Preisstützungen und -regulierungen sind in der Regel eine sehr ineffiziente Form des Staatseingriffs. Vernünftiger wären vielmehr Direktzahlungen. Aber diese Reformen werden ja diskutiert, doch die politischen Mühlen mahlen eben nur sehr langsam.

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