Im zuletzt veröffentlichten Teil unserer Serie zum Thema BEA™ Pricing habe ich mich mit dem Nutzen und der Psychologie des Geldes befasst. Nun zeige ich anhand eines Experimentes, wie sich ein fairer Preis ermitteln lässt.
Was ist zu teuer? Was ist zu billig? Und wie lässt sich zwischen diesen Extremen ein fairer Preis finden? All diese Fragen werden von der Ökonomie schon lange erforscht. Schliesslich ist Pricing neben der Produkt-, der Promotions- und der Vertriebspolitikein wichtiger Bestandteil eines jeden Marketing-Mixes.
Doch Konsumenten reagieren nicht alleine auf den Preis, sondern auch auf den Wert des Produktes. Und der wird meist von individuellen, irrationalen Faktoren bestimmt. Dies erklärt auch das oft beobachtete Phänomen, dass Preissenkungen nicht automatisch steigende Verkäufe bedeuten.
Doch was ist unter diesen Gesichtspunkten überhaupt ein fairer Preis? Zum Thema Fairness hat vor allem Ernst Fehr ausgiebig geforscht und als erster nachgewiesen, dass Kooperation aufgrund sozialer Präferenzen – eben der Fairness – entsteht. Dies läuft über die Mechanismen der Reziprozität und der Sanktion, unabhängig von zukünftigen Gewinnen und Verlusten ab.
Diese sozialen Präferenzen wirken auch beim Pricing, da sie den individuellen Referenzpreis mitbestimmen. Ein oft zitiertes Paper von Daniel Kahnemann, Jack Knetsch und Richard Thaler zeigt dieses Phänomen(“Fairness and the Assumptions of Economics”, erschienen 1986 im Journal of Business):
Stellen Sie sich vor, Sie liegen an einem heissen Sommertag am Strand und sehnen sich nach nichts mehr als nach einem kühlen Bier. Wieviel wären Sie bereit, für dieses Bier zu bezahlen? Sie haben an diesem Strand zwei Möglichkeiten, um schnell Bier zu kaufen: Die Poolbar eines schicken Fünf-Sterne-Hotels – oder einen Kiosk, ebenfalls mit wenigen Schritten zu erreichen. An beiden Orten wird die gleich Biermarke verkauft.
Kahnemann, Knetsch und Thaler haben sich gefragt, ob wir es tatsächlich fair finden, dass an beiden Orten das gleiche Bier zu unterschiedlichen Preisen verkauft wird, und dazu ein Experiment durchgeführt. Die Teilnehmer (in der Rolle der durstigen Strandgeheer) mussten bewerten, wie viel sie für das Bier am Kiosk und an der Hotelbar zu zahlen bereit wären. Das Ergebnis: $1,50 am Kiosk, $2,65 an der Bar.
Daran zeigt sich nicht nur, dass Bier in den 80er-Jahren deutlich billiger war, sondern auch, dass wir auch faire Preise nicht unbedingt rational bewerten. Das Bier an der Hotelbar mag zwar vielleicht überteuert sein, doch wir sind bereit, das Umfeld samt der in einem Hotel entstehenden Kosten in unsere Bewertung einfliessen zu lassen – und empfinden einen deutlich höheren Preis als fair.
Dieses Beispiel macht auch einmal mehr deutlich, dass Business-Experimente der beste Weg sind, um das Problem des fairen Pricing zu lösen. Damit lassen sich in den Reaktionen von Individuen auf bestimmte Preise Muster erkennen.
Eugene Galanter, Howard Moskowitz und Matthias Silcher präsentieren in ihrem Buch “People, Preferences & Prices” ein besonders auschlussreiches, das ich auch hier kurz wiedergeben möchte. Sie nutzten dafür eine in den 1970er-Jahren vom holländischen Ökonomen Peter van Westendorp entwickelte Methode, genannt Price Sensitivity Meter.
Im Experiment wurde ein fairer Preis für das Fitness-Getränk eines internationalen Konzerns gesucht. Das Produkt war bereits etabliert, getestet wurde die Einführung einer neuen Flaschengrösse. Die Teilnehmer mussten die Flasche in die Hand nehmen und danach jeweils einen Preis nennen, der ihrer Ansicht nach den folgenden Kriterien entsprach: “viel zu teuer”, “zu teuer”, “zu billig” und “viel zu billig”.
Die Muster, die sich aus der Summe aller Antworten ergaben, waren schon sehr aufschlussreich.
Wie an diesen Daten zu erkennen ist, liegt der ideale Preis zwischen rund $1,00 und $1,50 – also zwischen den Polen “zu teuer” und “zu billig”. Doch das reicht uns heute nicht, denn in einem zusätzlichen Schritt wurden aus den Teilnehmer auch zwei Gruppen gebildet: eine mit allen, die sich selbst als preissensitiv beschrieben – eine andere mit den preisinsensitiven.
Es zeigt sich hier nicht nur, dass preissensitive Konsumenten schon bei geringeren Preisen etwas als “zu teuer” empfinden als preisinsensitive (ein zu erwartendes Ergebnis). Vielmehr wird deutlich, dass im unteren Segment die Bewertungen bei jeder Gruppe beinahe identisch ausfallen.
Fazit:
- Die individuelle Wahrnehmung, ob ein Preis fair oder unfair ist, basiert auf sozialen Präferenzen der Menschen, die den Referenzpreis massgeblich beeinflussen. Damit lässt sich auch das Phänomen erklären, dass wir für identische Produkte in unterschiedlichen Kaufsituationen auch unterschiedliche Preise bezahlen, ohne sie für unfair zu halten.
- Dieses Phänomen zeigt sich auch beim Thema „Preissensitivität“, wobei der Referenzpreis ein zentrales Element ist. Dieser kommt aufgrund persönlicher Eigenschaften, Erwartungen und Erfahrungen zustande und beeinflusst dadurch das individuelle Verhalten.
- Daher wirken sich Preiserhöhungen meist erst dann aufs Konsumverhalten aus, wenn der Referenzpreis überschritten wird. Preissenkungen hingegen verletzen keine Fairnessnormen. Soll heissen: Bei Schnäppchen sind wir uns alle einig – bei Preiserhöhungen kommt die jeweilige Persönlichkeit zum Tragen.
Lesen Sie in zwei Wochen in Teil 5 unserer Serie zum Thema BEA™ Pricing, welche Preise zu Produkten passen, die neu auf den Markt kommen und für die Konsumenten noch keine Vergleichswerte kennen.