Als ich vor 14 Jahren die Idee hatte, gemeinsam mit meinem Bruder Ernst eine Wirtschaftsberatung auf Basis verhaltensökonomischer Erkenntnisse zu gründen, mussten zahlreiche theoretische Grundlagen erarbeitet werden. Ein Name fiel dabei besonders oft: Matthias Sutter – heute Buchautor, Verhaltensökonom, Direktor des Max-Planck-Instituts und mittlerweile ein Freund von mir. Ich habe nicht nur die Ehre, mit ihm gemeinsam zu unterrichten, sondern darf auf unserer Plattform auch sein neuestes Werk „Der menschliche Faktor oder worauf es im Berufsleben ankommt – 50 verhaltensökonomische Erkenntnisse“ (Hanser Verlag; ISBN-10: 3446473130) vorstellen. Am 29. November gab es dazu mit dem Autor ein Wiedersehen bei der digitalen Academy of Behavioal Economics. Mehr als 150 Besucher verfolgenden mit Spannung seinen Ausführungen. Hier gibt es einige Ausschnitte der Erkenntnisse von Matthias, die wir im Rahmen der Academy diskutiert haben.
1) Lohnen sich Mitarbeiterempfehlungsprogramme?
Nach dem Mangel an Fachkräften folgt nun eine Knappheit an Mitarbeitern. Eine gute und auch empirisch belegbare und sehr effektive Methode, neue Mitarbeiter zu gewinnen, bieten Mitarbeiterempfehlungsprogramme. Bei diesen Systemen können bestehende Mitarbeiter im Unternehmen Empfehlungen für Bewerber abgeben. Führt die Empfehlung zu einer Einstellung, folgt häufig eine Bonuszahlung an die empfehlende Mitarbeiter:in, die in manchen Unternehmen 2.000 bis 3.000 Franken oder Euro betragen kann. Zahlreiche Studien zeigen, dass Unternehmen, in denen solche Systeme eingeführt wurden, nicht nur kostengünstiger zu neuen Mitarbeitern kommen, sondern diese auch länger bleiben und die Mitarbeiterfluktuation in diesen Unternehmen deutlich sinkt. Einige Wissenschaftler haben sich nun die Frage gestellt, welche Effekte zu diesen Resultaten führen. Das Motiv ist klar: Durch das Einführen eines Mitarbeiterempfehlungsprogrammes fühlen sich die bestehenden Mitarbeiter:innen ernst genommen. Sie entschieden zwar nicht unmittelbar über die Einstellung, aber sie können zumindest Vorschläge machen, mit wem sie in Zukunft arbeiten wollen. Nachdem aber auch einen Reputationsverlust zu fürchten ist, wenn sie Menschen empfehlen, die für diesen Job untauglich sind, werden sie darüber hinaus bei einer Empfehlung große Sorgfalt walten lassen. In zahlreichen Studien liess sich auch nachweisen, dass durch die Programme nicht nur die Arbeitsplatzzufriedenheit stieg, sondern es auch eine eine Produktivitätssteigerung gab, denn wer zufrieden mit dem Arbeitsplatz ist, ist auch bereit, wenn erforderlich, sich mehr für das Unternehmen einzusetzen – die Leistungsbereitschaft nimmt daher erheblich zu. Sehr überraschend scheint, dass Mitarbeiterempfehlungsprogramme heute eher die Ausnahme, denn die Regel sind. In den meisten Unternehmen wird heute viel Geld für Anzeigen und unterschiedlichste HR-Programme ausgegeben, obwohl eine gute Möglichkeit, einige Stellen schnell zu besetzen, in der Kraft der bestehenden Mitarbeiter liegt.
Behavioral Economics News von Gerhard Fehr
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DABEI SEIN
2) Warum finanzielle Boni soziale Normen aushebeln und die Arbeitsmotivation senken können
Eine deutsche Handelskette hatte unter den Mitarbeitern zahlreiche Fehlstunden und kam zu folgender Idee: Für jeden Monat ohne Fehltage, außer Urlaub, gibt es Bonuspunkte. Und die Bonuspunkte konnte man am Ende des Jahres in Geld oder Urlaubstage umtauschen. In einem Fall war es so, dass man am Jahresende maximal 240 Euro Bonus – was im ersten Lehrjahr einem halben Monatslohn entsprach – erhielt oder maximal vier zusätzliche Urlaubstage, sofern man über das ganze Jahr keine Fehltage hatte. Was auf den ersten Blick nach einer guten Idee aussieht, hatte den gegenteiligen Effekt. In jenen Filialen, in denen dieses Bonussystem eigeführt wurde, stiegen sogar die Fehltage. Was war passiert? Durch die Einführung des finanziellen Bonussystems für Anwesenheit kam es zu einer Verschiebung der sozialen Normen. Die Lehrlinge interpretierten die neue Regelung als Deal, der die Anwesenheitsnorm ersetzte: Wenn ich mehr fehle, verzichte ich auf Geld und darum kann ich auch fehlen. Das Unternehmen hat unbeabsichtigter Weise eine Nachfragefunktion für Fehlzeiten eingeführt – je nach Präferenz für Fehlzeiten wird diese nun auch von den Lehrlingen genutzt. Finanzielle Anreize funktionieren in der Regel gut, haben aber immer Nebenwirkungen – dies zu kennen gibt dem Management ein klareres Bild, ob der Gesamteffekt positiv oder hier klar negativ ist.
3) Was machen CEOs und welche Führungstypen sind effektiver?
Vorstandsvorsitzende oder CEOs von großen Unternehmen verdienen sehr viel Geld, stehen im Rampenlicht und haben große Macht. CEOs arbeiten sicherlich sehr viel, aber entscheidend für ihre Performance im Unternehmen ist, auf was sie sich in ihrer Arbeitszeit fokussieren. Das interessiert auch die Wissenschaft, denn aus solchen Ergebnissen kann man auch ableiten, welche Faktoren in der Zeitallokation von CEOs für den Unternehmenserfolg wichtig sind. Oriana Bandiera von der London School of Economics hat mit Kollegen den Tagesablauf von über 1.100 CEOs aus sechs Ländern (Brasilien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien und USA) in einem bisher unerreichten Detailgrad analysiert, um Verhaltensmuster zu identifizieren und den Zusammenhang zwischen dem Verhalten eines CEO und dem Unternehmenserfolg analysieren zu können. Die CEOs waren im Schnitt 51 Jahre alt, kamen aus dem produzierenden Gewerbe, standen knapp über 1000 Mitarbeitern vor und erwirtschafteten einen durchschnittlichen Umsatz von über 200 Millionen Dollar. Bei der Detailauswertung der Ergebnisse zeigte sich, dass es große Unterschiede insbesondere in Hinblick auf die Häufigkeit von Meetings und/oder die Anzahl der Personen in diesen Meetings gab. Nach Auswertung der Daten konnten zwei Typen von CEOs identifiziert werden: „Manager“ und „Leader“. Während Manager relativ häufig bilaterale Treffen abhielten und sich um produktionsrelevante Aspekte kümmerten, verbrachten Leader mehr Zeit in Meetings mit Führungskräften aus verschiedenen Unternehmensbereichen. Leader kümmerten sich weit weniger um die operativen als vielmehr um die strategischen Entscheidungen des Unternehmens. Letztendlich zeigte sich, dass Leader im Schnitt produktivere und profitablere Firmen anführten. Studienleiterin Bandiera und ihre Kollegen betonen allerdings, dass die aggregierten Ergebnisse nicht missverstanden werden sollten, dass alle Firmen erfolgreicher wären, wenn sie einen Leader als CEO hätten. Viel wichtiger sei es, dass der Typ des CEO zur Firma passen müsse, also zu ihrer Unternehmenskultur und auch zu den Mitarbeitern. Das ist aber ein klarer Auftrag für das Besetzungsgremium. Sie müssen den CEO finden, der komplementär zur Strategie und Kultur im Unternehmen ist.
Das neue Jahr hat wieder gestartet und ich wünsche Ihnen allen ein erfolgreiches, aber vor allem gesundes 2023. Wir werden uns wieder regelmässig lesen. Es warten wieder viele spannende und neue verhaltensökonomische Themen in unserer Digitalen Academy of Behavioral Economics und meinem Newslettern auf Sie und unser Team. Ich freue mich schon jetzt, Ihnen diese vorzustellen und mit Ihnen darüber diskutieren zu dürfen!
Mein Motto für 2023: Stay humble, stay tuned … es braucht mutige Menschen um die Herausforderungen unserer Zeit anzugehen ….. es freut mich, dass Sie dazugehören.