Teufelskreis Armut: Können Experimente das globale Problem lösen?

Johannes Haushofer, Speaker an der Academy of Behavioral Economics 2020, zeigt die Kraft von Experimenten für eine effektive Entwicklungspolitik.

Johannes Haushofer
Johannes Haushofer, am 29. Januar 2020 Speaker an der Academy of Behavioral Economics

«Ich liebe Neurowisschenschaften, aber sie retten mir zu wenig die Welt.»

Dieses Zitat stammt von Johannes Haushofer, Professor für Behavioral Economics in Princeton und am am 29. Januar 2020 Speaker an der Academy of Behavioral Economics. Ich habe Johannes vor einigen Jahren kennengelernt, und seine Energie hat mich von ersten Tag an inspiriert. Wenn ich seinen Werdegang in wenigen Worten zusammenfassen müsste, dann würde ich sagen: Johannes hat in seiner bisherigen akademischen Karriere das Beste aus dieser Selbsterkenntnis gemacht.

Für ihn war es nie genug nur Wissenschaftler zu sein. Als Gründer und wissenschaftlicher Leiter des Busara Center for Behavioral Economics in Nairobi, das mittlerweile nicht nur in Kenia, sondern auch in Uganda, Tansania, Äthiopien, Peru, Fidschi und Indien mit Laborexperimenten und randomisierten Kontrollstudien im Feld die Grundlage für eine evidenzbasierte Entwicklungspolitik schafft, ist Johannes ein Prototyp für moderne interdisziplinäre Forschung.

So hat er aufgezeigt, welche Auswirkungen Armut auf das Verhalten von Menschen hat. Wer arm ist, geht weniger Risiken ein und trifft schlechtere Entscheidungen. Und Armut bewirkt Armut – ein Teufelskreis, der sich über Generationen hinweg spannt.

Doch Johannes gibt sich mit einer Diagnose allein nicht zufrieden, sondern testet seit einigen Jahren auch eine mögliche Therapie gegen die Armut in Entwicklungsländern: ein bedingungsloses Grundeinkommen. Die bisherigen Erkenntnisse in Kenia sind extrem vielversprechend.

Damit schafft er nicht nur evidenzbasiertes Wissen, um die generelle Diskussion über Wirkungen und Nebenwirkungen eines  bedingungslosen Grundeinkommens von ideologischem Ballast zu befreien. Vielmehr zeigt er auch die Kraft von einfachen Experimenten als Grundlage für moderne und effektive Entwicklungspolitik. Um Menschen in Entwicklungsländern die selben Chancen zu geben wie wir sie haben, müssen zuerst unsere Konzepte an andere Lebensbedingungen und Kulturen angepasst werden. Dann können mit Hilfe von experimentellem Behavioral Design funktionierende Instititutionen daraus entstehen.

Die Welt lässt sich mit diesem Ansatz vielleicht nicht ganz retten – aber verbessern lässt sie sich damit allemal, wie die drei Highlights aus Haushofers Arbeit weiter unten zeigen.

Gerhard Fehr
CEO & Executive Behavioral Designer
FehrAdvice & Partners AG, Zürich

 



Die psychologischen und neurobiologischen Auswirkungen von Armut

In diesem Vortrag erklärt Johannes Haushofer die psychologischen und neurobiologischen Kosten von Armut, und beleuchtet, wie sich das Erleben von Armut auf das wirtschaftliche Verhalten eines Menschen auswirkt.


★★
Was ein bedingungsloses Grundeinkommen in der Entwicklungspolitik leisten kann

Kann man Menschen einfach so Geld geben? Ohne eine Gegenleistung zu verlangen? Und vor allem: Bekommt die Gesellschaft von diesen Menschen auch wieder etwas zurück? Das sind die Fragen, denen sich Johannes Haushofer und Jeremy Shapiro in einem Langzeitexperiment in Kenia stellen. Die ersten Antworten sind überraschend – und vielversprechend.

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★★★
Sind randomisierte Experimente zur Armutsbekämpfung ethisch vertretbar?

Am 14. Oktober 2019 wurde der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften an drei Ökonomen vergeben, die mit Hilfe von randomisierten kontrollierten Studien die Armut bekämpfen: Abhijit Banerjee, Esther Duflo und Michael Kremer. Bei solchen Experimenten wählen Forscher nach dem Zufallsprinzip eine Gruppe von Personen, die eine Intervention erhalten, und eine Kontrollgruppe von Personen ohne Intervention, und vergleichen dann die Ergebnisse.

Diese Methode wirft in diesem Kontext natürlich ethische Fragen auf, denn es wird zufällig ausgewählt, wer Hilfe erhält und wer nicht. Kritiker finden sogar, in so einem Setting werde das Wohlergehen von Studienteilnehmern geopfert, nur um vielleicht etwas daraus zu lernen. Die Wissenschaftler Peter Singer, Arthur Baker und Johannes Haushofer – allesamt in ihrer Forschungspraxis mit diesem Dilemma konfrontiert – haben Antworten auf die ethischen Fragen gesucht, und in einem Gastartikel für New Europe zusammengefasst.

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