Erfolgreiche Unternehmen führen in der Regel keine isolierten Diskussionen über ihre Vergütungssysteme. Dies hat einen einfachen Grund: Die Vergütung und das Recruiting, sowie das Vertrauen in die Mitarbeitenden werden weil nicht unabhängig voneinander – als Bestandteil einer High-Performance-Kultur kontinuierlich gemeinsam gemanaged.
Interessanterweise haben aber Manager eine gespaltene Beziehung zu Anreiz- oder Vergütungssystemen. Denn noch immer glaubt ein grosser Teil, dass Vergütungssysteme im besten Fall nur „Placebo-Effekte“ besitzen und im schlimmsten Fall aus eigentlich intrinsisch motivierten Mitarbeitern „Anreizbestien“ werden.
Die Frage, die wir mit diesem Beitrag beantworten wollen, ist: Wer hat, wenn wir einmal die unterschiedlichen Ideologien weglassen, mit Blick auf die Evidenz eigentlich die richtigen Argumente auf seiner Seite?
Was sagt die ökonomische Lehre dazu? Die Wirtschaftswissenschaft bedient sich als Ausgangslage der bekannten Prinzipal-Agent-Theorie. Diese sagt uns Folgendes: Unternehmen haben ein Interesse, den Unternehmenserfolg, in der Regel den Gewinn, zu maximieren. Bei Mitarbeitern stehen jedoch andere Faktoren im Vordergrund beispielsweise das eigene Gehalt oder die Work-Life-Balance. Kurzum: Firmen verfolgen in der Regel andere Ziele als die Mitarbeitenden, was offensichtlich zu möglichen Interessenskonflikten führen kann.
Erfolgreiche Unternehmen beherrschen Vergütung, Vertrauen und Selektion komplementär
Zudem herrscht ein weiteres Problem vor, nämlich, dass Unternehmen die Kenntnisse, Fähigkeiten und den Leistungswillen der Mitarbeitenden oft nicht richtig beurteilen können (im Fachjargon wird dies auch Informationsasymmetrie genannt). Dies verursacht den Firmen zusätzliche Kosten, weil sie vereinfacht gesagt „die falschen Leute“ eingestellt haben. Solche, die nicht leisten, was sie könnten oder jene, welche die geforderten (und bezahlten) Skills gar nicht haben.
Die Prognose der Prinzipal-Agenten-Theorie über das durchschnittliche Verhalten von Mitarbeitenden lässt nur eine Schlussfolgerung zu: Der Mitarbeitende gibt die maximale Leistung nur dann, wenn er aus der Tätigkeit einen grossen persönlichen Nutzen – sprich Einkommen oder Work-Life-Balance – zieht. Der Mitarbeitende optimiert seinen Nutzen für sich alleine. Die Befindlichkeiten seiner Kollegen oder das Wohlergehen des Unternehmens kümmern ihn nicht. Fühlt er sich für seine Leistung unterbezahlt, beginnt er, wenn er nicht kontrolliert wird, einfach weniger zu arbeiten. Um dies zu verhindern, werden Vergütungssysteme benötigt, die Mitarbeiter zu mehr Leistung anreizen und damit für Unternehmen performancesteigernde Wirkung besitzen. Allerdings kann dies auch nicht undifferenziert mit dem Füllhorn geschehen. Als Unternehmen bringt es nichts, „die falschen Leute“ zu beanreizen. Wie kann also das Unternehmen die Informationasymmetrie senken und Interessen in Einklang bringen?
Präferenzen und kognitive Biases
In diesem Kontext sind die verhaltensökonomischen Erkenntnisse über Präferenzen und kognitive Biases zentral: Menschen sind nicht nur durch materiellen Eigennutzen motiviert, sondern haben (messbare!) soziale Präferenzen wie Fairness und Reziprozität. Das heisst, der Nutzen wird nicht nur von der eigenen Vergütung, sondern auch von der Gewinnentwicklung des Unternehmens oder der Vergütung anderer bestimmt. In hochprofitablen Unternehmen sind die Ansprüche auf den Lohn messbar höher, ohne dass Mitarbeitende ihren Beitrag wie Kompetenzen oder Skills erhöhen. Zudem will ich nicht weniger verdienen als meine Peers. Das ist nicht fair, oder? Negative Reziprozität bedeutet nun, dass wenn ich mich unfair behandelt fühle, je nach individueller Ausprägung dieser Präferenz eine Bereitschaft entwickle, dem Unternehmen bewusst oder unbewusst zu schaden. Die einfachste Methode, dem Unternehmen zu schaden, ist die Leistung zu senken. Nur etwas böse gefragt – sind wir aber wirklich in der Lage, unsere Leistung selber adäquat einzuschätzen?
Menschen haben (messbare!) kognitive Biases. Ein wichtiger (optimistischer) Bias ist die Selbstüberschätzung. Dies drückt sich durch einen übertriebenen Glauben an die eigenen Fähigkeiten („better than the average“), Überschätzung des eigenen Wissens oder darin aus, dass der Erfolg den eigenen Fähigkeiten, Misserfolg aber dem Pech oder Umwelt angelastet wird („selfserving attribution“). Selbstüberschätzung verstärkt den Effekt einer als nicht fair wahrgenommenen Vergütung.
Referenzen und Track Records
Das Unternehmen hat also ein ökonomisches Interesse an Informationen über die Arbeitnehmer, welche z.B. in Form von Referenzen und Track-Records angefordert werden und relevant sind, welche Jobangebote die Unternehmen machen. Weil unter Wettbewerbsbedingungen die Anreize für die Bewerber gross sind, sich eine entsprechende Reputation (Track-Record) aufzubauen, lohnt es sich für die Unternehmen, konsequenterweise diesen Informationen auch zu vertrauen. Nur: Wer schreibt denn in seine Bewerbungsunterlagen „ausgeprägte Selbstüberschätzung“, „keine Geduld“ oder „tiefe Fairnesspräferenz“? Eigentlich fehlen dem Unternehmen die verhaltensrelevanten Präferenzen und kognitiven Biases! Ein professionelles HR differenziert sich in der Personalselektion genau darin, auch diese verhaltensökonomischen Informationen zu erheben. Das Problem der Informationsasymmetrie ist so elegant gelöst.
Und wie bekomme ich als Unternehmen nun die gewünschte Leistung der Mitarbeitenden? Für Verhaltensökonomen ist es nicht überraschend, dass unterschiedliche Vergütungsdesigns auch unterschiedliche Typen von Menschen anziehen. Unternehmen mit variabler Entlohnung bekommen zum Beispiel im Schnitt leistungsfähigere und leistungswilligere Arbeitnehmer. Ein direkter Einfluss von Vergütungssystem auf die Zusammensetzung der Belegschaft ist die logische Konsequenz.
Vertrauen schlägt Kontrolle
Spannend ist in diesem Zusammenhang übrigens, was nun diese (Selbst)Selektion in die variable Entlohnung beeinflusst: Selbstüberschätzung, Risikobereitschaft und das Geschlecht. Das heisst, dass risikofreudigere Arbeitnehmer und solche mit einer Neigung zur Selbstüberschätzung häufiger variable Vergütungsschemata wählen. Zudem sind es Männer, welche im Vergleich zu den Frauen häufiger variable Vergütungsschemata wählen – was nicht allzu sehr überrascht, weil die Selbstüberschätzung bei Männern im Durchschnitt höher ausgeprägt ist als bei Frauen.
Das beste Vergütungsdesign nützt aber wiederum wenig, wenn das Unternehmen keine Vertrauenskultur schaffen kann. Vertrauen ist eine (messbare!) Vorleistung. Wer vertraut geht ein Risiko ein, von den – wenn auch wenigen – Egoisten ausgenutzt zu werden. Untersuchungen belegen aber, dass sich dieses Risiko bezahlt macht und die Performance im Durchschnitt einer auf Kontrolle ausgelegten Führung weit überlegen ist. Viel Kontrolle löst einen „Dienst nach Vorschrift Effekt“ aus – kein Merkmal einer High-Performance Company!
Vergütung, Vertrauen und Selektion: Dem Management stehen heute erprobte Instrumente aus der Verhaltensökonomie zur Verfügung. Die das Verhalten beeinflussenden Präferenzen und Biases sind mess- und für Unternehmen einfach nutzbar. Im „War for Talents“ sind das wettbewerbsentscheidende Techniken.
Dieser Text erschien auch im ZHCM – Newsletter 01/2014