Ernst Fehr im Tagesanzeiger: “1:12 ist der falsche Weg zur Gerechtigkeit”

In einem Interview mit dem Tagesanzeiger erklärt Prof. Ernst Fehr, warum die 1:12-Initiative die wirklichen Ungleichheiten bei den Einkommen nicht beseitigen kann und stattdessen hohe ökonomische Kosten verursacht.

Die Eidgenössische Volksinitiative «1:12 – Für gerechte Löhne» kommt am 24. November zur Abstimmung. Die vieldiskutierte Frage in diesem Zusammenhang: Kann dadurch tatsächlich – wie von den Initiatoren proklamiert – mehr Lohngerechtigkeit erzeugt werden, oder wird die Wirtschaft geschädigt. In einem Interview Stefan Häne und Janine Hops erklärt Prof. Ernst Fehr die Zusammenhänge von Ungleichheit und Gerechtigkeit – und warum Neid ökonomisch gesprochen etwas Negatives ist. Er impliziere, so Fehr, die Bereitschaft, jemand anderem zu schaden. Hier noch weitere Passagen aus dem Gespräch:

Ernst Fehr zur Frage, ob die 1:12-Initiative für mehr Lohngerechtigkeit sorgen kann:

Die 1:12-Initiative kann die wirklichen Ungleichheiten bei den Einkommen nicht beseitigen und verursacht stattdessen hohe ökonomische Kosten. Die Firmen würden ihre Dienstleistungen am oberen und unteren Ende der Salärskala einfach extern einkaufen – ein ineffizientes Outsourcing. Zudem könnten Manager, die heute weniger als zwölfmal so viel verdienen wie der am schlechtesten bezahlte Mitarbeiter, auf eine Lohnerhöhung drängen, weil das Verhältnis 1:12 gewissermassen demokratisch legitimiert ist. Dies hätte dann sogar einen – aus Juso-Sicht – unerwünschten Verteilungseffekt.

Ernst Fehr zur Frage, ob ein Mindestlohn der vielleicht bessere Ansatz wäre:

Ob ein Mindestlohn schädlich ist, hängt von seiner Höhe ab. In den USA liegt er knapp über 7 Dollar. Wenn jemand 2000 Stunden im Jahr arbeitet, verdient diese Person 15’000 Dollar. Überlegen Sie mal, 15’000 Dollar! Wenn Sie in den USA den Mindestlohn für Erwachsene erhöhen, ist die Wahrscheinlichkeit klein, dass deswegen weniger Leute beschäftigt werden. Der Mindestlohn von 4000 Franken, der in der Schweiz gefordert wird, ist hingegen sehr hoch. Wird er eingeführt, werden in der Schweiz wahrscheinlich Stellen gestrichen.

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