Entscheidungen in Demokratien: Wie wählen Menschen bei ausschliesslich unattraktiven Optionen?

Wenn bei einer Wahl die tendenzielle Ablehnung aller Kandidaten im Vordergrund steht, entscheiden die Menschen überlegter, so eine Studie. Der aktuelle US-Präsidentschaftswahlkampf dient hier als bestes Anschauungsbeispiel.

Entscheidungen in Demokratien: Wie wählen Menschen bei ausschliesslich unattraktiven Optionen?
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Normalerweise wird für Studien zum Entscheidungsverhalten zumindest eine interessante Option eingeplant. Was aber, wenn keine der gebotenen Alternativen attraktiv ist? Aktuelles Beispiel aus der Praxis: Im US-Präsidentschaftswahlkampf treten mit Hillary Clinton und Donald Trump zwei Kandidaten an, die beide nicht unbedingt als Sympathieträger gelten.

Wie werden die Wähler am 8. November 2016 ihre Entscheidung treffen? Unter dem Titel “How to vote when you don’t like the candidates” machen sich zwei US-Forscherinnen zu dieser ungewöhnlichen Situation Gedanken. Kann es sein, dass die Menschen angesichts der als wenig attraktiv empfundenen Angebote beider Kandidaten der Einfachheit halber ihrem gewohnten politischen Lager treu bleiben? Oder werfen sie eine Münze?

Eine pro-aktive Wahl sieht anders aus

Ein Blick in die Literatur zeigt, dass bei uninteressanten Optionen die allerschlimmsten eliminiert wird und somit das kleinste Übel als Gewinner übrigbleibt. Eine pro-aktive Wahl sieht anders aus:

While the end result may be the same, the thought process that leads to this decision is quite different. As behavioral scientists who study how people make decisions, we think this distinction could affect the upcoming presidential election. If people select between Clinton and Trump by using rejection rather than choice, then the information they use to make their decisions will be different.

Diese Herangehensweise kann durchaus positive Seiten haben, da das Auswahlverfahren reflektierter abläuft und Gerüchte beziehungsweise Social Media-Hysteriewellen weniger Wirkung zeigen. Das wurde im Rahmen von mehreren Studien festgestellt. Ausserdem scheinen auch bisherige Sympathien für eine Partei weniger ausschlaggebend sein, wenn die Wahl eher auf Ab- als auf Zuneigung basiert.

Diese Erkenntnis wurde auch anhand eines Studien-Klassikers von Daniel Kahnemann und Amos Tversky aus dem Jahr 1981 überprüft, dem “Asian Disease Problem”. Wie diese gezeigt hat, können dieselben Fragen in einem leicht veränderten Wording entgegengesetzte Entscheidungen auslösen: Positiv emotionale Begriffe wie “retten” verleiten Menschen weniger dazu, sich für riskante Lösungen zu entscheiden (“200 people are saved out of 600”) als wenn man dieselbe Sachlage negativ ausdrückt (“400 people will die out of 600”).

Nur keine Emotionen

Als man für die aktuelle Untersuchung emotionalisierende Begriffe beiseite liess und die Probanden fragte, welche Optionen sie im Falle des “Asian Disease Problems” ablehnen (statt wählen) würden, fielen die Entscheidungen recht ausgewogen aus. Die Autorinnen zu diesen Ergebnissen:

The study results indicate that wild in-your-face claims made by candidates will get less weight if people use rejection strategies to vote. Princeton psychology scholar Eldar Shafir has also found that rejection makes people focus on negative attributes. Perhaps the candidates’ campaign managers know this already and that is why the negativity in this election has been so high. But, the point to remember is that this cannot be a shallow negative attribute like sounding bossy or having a spray-tanning habit. People voting by rejection will be more deliberate – and will look carefully at what makes a candidate bad.

Quelle: Aradhna Krishna , Tatiana Sokolova , How to vote for president when you don’t like the candidates, theconversation.com, September 30, 2016