Halbvoll oder halbleer? Warum manche Wahrscheinlichkeiten glaubwürdiger sind als andere

Hohe Wahrscheinlichkeiten kommen besser an und färben positiv auf den Prognostizierenden ab, besagt eine Studie. Und: Gute Forecaster bestechen nicht durch ihr Genie, sondern machen sich bestimmte mentalen Fähigkeiten zunutze.

Vorhersagen bestimmen das tägliche Leben. Man nimmt den Schirm mit, weil Regen prognostiziert wurde. Man rechnet sich aus, dass man demnächst das Bett hüten muss, da schon Partner und Kind mit einem Infekt kämpfen. Und die Lieblingsfussballmannschaft sollte demnächst den Aufstieg schaffen, denn der Trainer hat seine Burschen gut im Griff. Bauchgefühl: Eine Gewinnchance von 80:20.

Und wenn dies auch noch ein Experte prognostiziert, dann umso besser. Denn Experten-Prognosen werden von Menschen besonders dann als sehr glaubwürdig eingeschätzt, wenn sich diese im hohen Wahrscheinlichkeitsbereich bewegen. So zeigte eine Untersuchung zum Thema:

A higher forecast (e.g., team A has a 70% chance of winning a game) is judged as being more accurate relative to a lower forecast (e.g., team A has a 30% chance of winning the game). These effects also emerge for normatively equivalent predictions; for example, a lower forecast (e.g., 30% chance of winning a game) can also be expressed with higher numbers (e.g., 70% chance of losing the game). Even in such cases, the higher prediction would be judged as being more accurate.

Gleichzeitig färbt die Prognose auf den Urheber – je höher die Wahrscheinlichkeit berechnet wurde, desto vertrauenswürdiger wird der Mensch dahinter wahrgenommen. Bei niedrigeren Werten nehmen Verbraucher hingegen die Begleitinformationen genauer unter die Lupe, da sie dem Urheber weniger trauen.

Growth Mindset: Willen, Selbstreflexion, Fehlereinsicht

Die “Orakel” müssen übrigens keine ausgebildeten Statistikliebhaber sein. Im Buch “Superforecasting: The Art and Science of Prediction” von Philip Tetlock und Dan Gardner wird eine Gruppe von Menschen beschrieben, die erstaunlich genaue Prognosen treffen kann. Darunter Hausfrauen, arbeitslose Fabrikarbeiter oder Mathematikprofessoren – ein bunter Haufen, dem eines gemeinsam ist: die mentale Einstellung. Der Economist schreibt:

[…] superforecasters do have a healthy appetite for information, a willingness to revisit their predictions in light of new data, and the ability to synthesise material from sources with very different outlooks on the world. They think in fine gradations. Rather than assigning something a probability of 60 to 40, for instance, a superforecaster might, after careful consideration and many small revisions to take account of newfound subtleties, settle on odds of 62 to 38.

Was Superforcaster nach Ansicht der Autoren besonders auszeichnet, ist das “Growth Mindset” – ein Mix aus Entschlossenheit, Selbstreflexion und dem Willen, aus den eigenen Fehlern zu lernen. Etwas, kommentiert der Economist, das sich theoretisch jeder aneignen könnte. Und dabei nicht vergessen: Hohe Wahrscheinlichkeiten machen zwar glaubwürdiger, sollten aber nicht künstlich erzeugt werden.

Quellen: