Computerspiele sind mittlerweile das erfolgreichste Unterhaltungsmedium. Die Mechanismen, die etwa Menschen dazu motivieren, morgens um 4 Uhr aufzustehen, weil sie ihren virtuellen Garten pflegen möchten, finden immer mehr Einzug in die Gestaltung alltäglicher Dienstleistungen und Produkte. Das Leben wird zum Spiel.
Ob wir nur noch wenige Meilen von einem Freiflug entfernt sind oder mit den letzten Laufschritten auf unserer Lieblingsjogging-Strecke einen Orden gewinnen, unser Verhalten in alltäglichen Aktivitäten wird mit den gleichen Mechanismen angetrieben, die Computerspiele seit Jahrzehnten erfolgreich machen. Der Ökonom Juho Hamari vom Helsinki Institute for Informationen Technology HIT hat in einem 2011 erschienenen Paper (hier als .pdf) erklärt, welche verhaltensökonomischen Grundprinzipen Spielmechanismen zu Grunde liegen.
Prospect Theory und Verlustaversion: Entgegen der Annahme der Erwartungsnutzentheorie treffen Menschen Entscheidungen nicht aufgrund absoluter Werte, sondern in Bezug auf einen individuellen Referenzpunkt. Ob man etwas als Verlust oder Gewinn wahrnimmt, hängt stark von diesem Referenzpunkt ab: dabei werden Verluste doppelt so stark wahrgenommen wie Gewinne.
Es gibt verschiedene kognitive Verzerrungen (Biases) im Zusammenhang mit der Verlustaversion, zu den bekanntesten gehören der Status-quo-Bias, der Besitztumeffekt und die Sunk Cost-Fallacy.
Status-quo-Biases, also Verhaltens- und Bewertungsroutinen, die sich bewährt haben, erleichtern uns den Alltag und geben uns den Rückhalt und die Entlastung, auf deren Basis wir uns den “wirklichen” Alltagsproblemen widmen können. Wir gehen daher grössere Risiken ein, um den Status quo zu erhalten, als um die Situation zu ändern.
In den meisten Fällen ist es für Verkäufer risikolos, dem Kunden bei Nichtgefallen die Ware zurückzunehmen. Einmal gekauft, ist ein Umtausch mit viel Aufwand verbunden, den wir lieber meiden.
Der Endowment-Effekt (Besitztumeffekt) beschreibt dass wir Güter, die wir besitzen, als wertvoller empfinden als Güter, die wir nicht besitzen. Er erklärt den Erfolg von Social Games wie Farmville oder Location Based Services wie Fourquare: Loslassen fällt uns schwerer als erwerben. Ist der virtuelle Garten zur vollen Pracht gepflegt, hat dieser einen Wert für die Spieler, den Aussenstehende nur schwer verstehen können.
Das Freenium-Model vieler kommerziellen Websites bedient sich ebenfalls dieses Mechanismus’. Der User kann zum Beispiel auf den Sozialen Netzwerken Xing und LinkedIn kostenlos ein Profil anlegen und due Dienste dann mit reduzierter Funktionalität nutzen. Gegen Aufpreis können zusätzliche Funktionen freigeschaltet werden. Die Arbeit, die man in das Erstellen des eigenen Profils investiert hat, möchte man allerdings nicht verlieren – das “Upgrade” wird so zur attraktiven Option.
Bleibt noch die Sunk Cost-Fallacy: Sunk Costs sind Kosten, die bereits entstanden sind und nicht (beispielsweise durch Verkauf) rückgängig gemacht werden können. Die Investition wird so zur Begründung weiterzumachen, selbst wenn es objektiv betrachtet keinen Sinn ergibt.
Dazu ein Beispiel: Wenn wir uns tage- oder wochenlang in einem Computerspiel von einem Spiellevel ist nächste gearbeitet haben, wollen wir unsere Zeitinvestition auf keinen Fall aufgeben und spielen weiter, obwohl wir die Zeit eigentlich längstens anders nutzen möchten.
Oder: In den USA offeriert Amazon für 79 Dollar pro Jahr kostenlose Lieferungen (Prime-Shipping). Obwohl die jährliche, im Voraus zu bezahlende Gebühr eine Sunk-Cost ist, verleitet sie uns zum wiederholten Kauf von Büchern.
Fazit
- Punkte, Status-Levels, Ranglisten, Auszeichnungen und Belohnungen: Wir werden in Zukunft immer mehr Spielmechanismen in Alltagsanwendungen finden, die uns faszinieren und fesseln.
- Richtig ausgestaltet, werden Unternehmen den Kunden Produkte und Dienstleistungen anbieten, die mehr Spass und Nutzen vermitteln und gleichzeitig nachhaltig zum Unternehmenserfolg beitragen.
Gamification in der Praxis sehen Sie in der neuen Mitgestaltungsplattform eny Lab, die auf Basis der Erkenntnise der verhaltensökonomsichen Forschung hilft, das eigene Finanzverhalten zu verbessern. eny Lab wurde gemeinsmal von FehrAdvice und eny Finance entwickelt.