Millenials, 68er, Boomer: Das Generationenmärchen widerlegt

X, Y und Z-Generation, die Baby-Boomer, die 68er und die Millennials – der Phantasie bei der Benennung der Generationen sind keine Grenzen gesetzt. Doch die Scientific Community ist sich einig: Es gibt kaum Unterschiede bei den Lebenszielen und Wertvorstellungen der verschiedenen Generationen. Darüber hinaus ist diese Kategorisierung nicht nicht nur wissenschaftlicher Nonsens, sondern erhöht erheblich die Risiken für Fehlentscheidungen im Management.

Auf einer Tontafel der Sumerer wurde schon vor rund 3000 Jahren in Keilschrift eingemeißelt: „Die Jugend achtet das Alter nicht mehr, zeigt bewusst ein ungepflegtes Aussehen, sinnt auf Umsturz, zeigt keine Lernbereitschaft und ist ablehnend gegen übernommene Werte.“ Kommt uns heute noch immer bekannt vor. Der Konflikt der Generationen ist so alt wie die Menschheit, doch Generationenkonzepte boomen inflationär. Es finden heute kaum noch Sitzungen der Human-Resources-Abteilungen oder Marketing-Veranstaltung statt, ohne dass darin nicht Generationenunterschiede bemüht werden. Das reicht von der Generation X bis zur Z, über die Babyboomer und die 68-er bis hin zu den „Millennials“. Was dabei aber leider übersehen wird: Den Generationenbegriffen fehlt es am wissenschaftlichen Fundament. Hier finden Sie fünf Mythen zu den Generationenunterschieden.

Mythos Nr. 1: Das soziologische Konzept der Generationen ist unumstritten

Soziologisch wurde der Begriff Generation vor allem durch K. Mannheim (1928) geprägt, der ihn als „die dynamische Kraft des Gruppenlebens“ definiert. Dabei ist eine Gruppe von Menschen, die gleichzeitig geboren wurde, nicht auch gleichzeitig eine Generation. Eine Generation muss durch verschiedene Ereignisse geprägt werden. Durch dieses gemeinsame Erleben bilden sich, so Mannheim, ähnliche „Werthaltungen, Orientierungen, Einstellungen und Verhaltensformen“ heraus. Klingt einfach, ist es aber nicht. Bis heute ist es für Wissenschaftler schwierig bis unmöglich, Generationengruppen von jenen abzugrenzen, die sie geformt haben.

Behavioral Economics News von Gerhard Fehr

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Mythos Nr. 2: Die zeitliche Abgrenzung beziehungsweise Altersspannen sind klar definierbar

Wer nun zum Beispiel der Generation X zuzurechnen ist, ist nicht klar definiert. In den 1950er-Jahren war das mehr ein Schlagwort, um Generationen bzw. Bevölkerungskohorten mit typischen Eigenschaften zu beschreiben. So beschreibt der Begriff heute meist die den Baby-Boomern folgende Generation. Im anglo-amerikanischen Sprachraum fallen Menschen, die zwischen 1965 bis 1980 geboren wurden, in diese Generation. Aber es gibt auch abweichende Positionen. Die US-amerikanischen Autoren William Strauss und Neil Howe zählen die Jahrgänge 1961 bis 1981 zur Generation X. Nachdem man den Forschungsgegenstand in vielen Studien zu diesem Thema nicht mal klar abgrenzen kann, hat das erhebliche konzeptionelle und auch rechnerische Auswirkungen auf die Untersuchung und das Verständnis von Generationen.

Mythos Nr. 3: Generationen lassen sich leicht erforschen

Bis heute gibt es kein Forschungsdesign, das Alters-, Perioden- und Kohorteneffekte voneinander trennen kann. Auch eine künstliche Einteilung von Altersgruppen in „Generationen” trägt nicht dazu bei, das Problem der Vermischung von Alters-, Perioden- und Kohorteneffekten zu lösen. Hier können auch statistische Modelle nicht helfen, denn solange Alter, Zeitraum und Kohorte in zeitlichen Begriffen definiert werden, sind sie untrennbar miteinander verbunden. Die Sozialwissenschaft hat sich lange damit auseinandergesetzt, aber bis heute keine befriedigende Lösung dafür gefunden.

Mythos 4: Unterschiedliche Generationen am Arbeitsplatz müssen gemanaged werden

Nachdem in der Forschung keine Generationenunterschiede auszumachen sind, lassen sich Generationen am Arbeitsplatz auch nicht managen. Auch die Veränderungen des Arbeitslebens, wie etwa verstärktes Homeoffice oder eine ausgeprägtere Sehnsucht nach Work-Life-Balance resultieren weniger aus einem Generationenunterschied als aus einer Veränderung der Rahmenbedingungen. War der Arbeitsmarkt vor 50 Jahren viel stärker von den Arbeitgebern geprägt, so hat eine Umkehrung der Bevölkerungspyramide dazu geführt, dass heute die Arbeitnehmer aufgrund des vorherrschenden Arbeitskräftemangels deutlich mehr Einfluss auf die Arbeitsbedingungen haben. Mehr Freizeit, höhere Löhne und eine bessere Arbeitsumgebung sind da nur selbstverständlich. Eine Machtverschiebung, die zutiefst marktwirtschaftlich ist: Denn Angebot und Nachfrage sind ein wichtiger Faktor für den Preis, und damit ein elementarer Verhaltenstreiber. Die gilt natürlich auch für Arbeitsmärkte.

Mythos 5: Generationen zu kategorisieren hat keine Nebenwirkungen

Die Kategorisierung von Generationen ist ein riesiger Business-Case für die Ratgeber- und Beraterindustrie. Auf Amazon finden sich heute zum Beispiel bereits über 100.000 Titel zum Thema „Generation Y“. Aber nicht nur unzählige Berater bemühen Generationenbegriffe, um sich vom Mitbewerb diversifizieren zu können. Diesem faktenfreien „Trend“ wird auch vom Management von vielen Unternehmen eine große Aufmerksamkeit geschenkt.

Für Unternehmen sind daher die kurzfristig wirtschaftlich relevantesten Auswirkungen in den strategischen Entscheidungsprozessen zu verorten. Falsch getroffene Annahmen über die Mitarbeiter und Kunden führen zu strategischen Ideen und Plänen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Implementierung scheitern werden. Warum? Weil Generationenkonzepte kein Ursache-Wirkungsprinzip in der wirtschaftlichen Realität abbilden, sondern ein gute, intuitiv und einfach wahrnehmbare, aber in der Regel falsche „Geschichte“ über Menschen wiedergeben. Was sind aber die Konsequenzen dieser „Business-Märchen“: Falsche strategische Entscheidungen zu treffen bedeutet, ein ganzes Unternehmen in die falsche Richtung laufen zu lassen. Dies kostet nicht nur viel Zeit und Geld, sondern führt meist zu Wettbewerbsnachteilen, die in der Zukunft schwer zu korrigieren sind. Problem: Falsche Grundannahmen hinter Entscheidungsdesigns sind meist wenig transparent und daher sehr schwer zu hinterfragen und zu ändern. Meist werden die operativen Maßnahmen optimiert und das Management erkennt zu spät, dass man strategisch für Kunden und Mitarbeitende zu wenig wertig ist.