Wie beurteilen Anleger das Risiko von Finanzprodukten? Eine Studie der Universität Innsbruck beleuchtet das Thema anhand einer Online-Befragung von mehr als 2.200 Finanzexperten und 4.500 Laien aus insgesamt neun Ländern. Den Probanden wurden grafische Gewinn- bzw. Verlustverteilungen präsentiert, die sich in mehreren statistischen Parametern unterschieden: Der Standardabweichung, also der Abweichung vom Mittelwert, der Schiefe und der Kurtosis, also dem Auftreten von extremeren, aber selteneren Gewinn- oder Verlustereignissen.
In der Lehre und der Finanzberatung gilt die Standardabweichung als das verlässlichste und am häufigsten verwendete Mass zur Beschreibung finanzieller Risiken. Die Untersuchung zeigte aber, dass Unterschiede in der Standardabweichung keine Änderung in der Risikowahrnehmung auslösen, weder bei Laien noch bei Finanzexperten. Informationen zu Gewinnen und Verlusten würden dafür sehr wohl Wirkung zeigen, so Studienleiter Felix Holzmeister:
Die Schiefe der Anlagenrenditen, also die Häufung von Gewinnen oder Verlusten, weist hingegen einen deutlichen Effekt auf. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das durch den Drang zu erklären ist, Verluste zu vermeiden – die Verlustwahrscheinlichkeit ist nämlich zu erheblichen Teilen durch die Schiefe bestimmt, wenn auch dieser Wert allein nichts über die zu erwartende Höhe möglicher Verluste aussagt.
Die Wahrscheinlichkeit, mit einem Investment Verluste zu erleiden, ist also ein starker Indikator dafür, was sowohl Laien als auch Finanzexperten als riskant empfinden. Um Menschen dabei zu helfen, Finanzanlagen aufgrund von sichereren Indikatoren wie die Standardabweichung zu beurteilen, schlagen die Wissenschaftler eine Art “Nährwerttabelle” für Finanzprodukte vor. Eine solche Risikotabelle solle neben der Standardabweichung der Renditen auch andere Risikomasse, vor allem die mit einem Produkt verbundenen Verlustwahrscheinlichkeit, beinhalten. Denn:
Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das bisher übliche Mass für das Risiko in der Finanzierung – die Renditevolatilität – nicht erfasst, was Menschen tatsächlich als riskant empfinden. Diese Diskrepanz zwischen der konventionellen Definition von Risiko und der tatsächlichen Wahrnehmung von Risiko unter Laien ist potenziell schädlich. Mehr Informationen, wie in Form einer ‚Risikotabelle‘, könnten hier helfen.
Quellen:
- Stefan Hohenwarter, Finanzprodukte: Warum wir Risiko falsch bewerten, Universität Innsbruck, idw-online.de, 20.04.2020
- Felix Holzmeister, Jürgen Huber, Michael Kirchler, Florian Lindner, Utz Weitzel, Stefan Zeisberger: What Drives Risk Perception? A Global Survey with Financial Professionals and Laypeople, Management Science, published online: 16 April 2020