Markus K. Brunnermeier, Professor für Ökonomie an der Princeton Universität, hat seine jahrelange Arbeit zum Thema Resilienz in seinem neuen Buch „Die resiliente Gesellschaft: Wie wir künftige Krisen besser meistern können“ aufbereitet. Markus beschreibt darin, warum wir Ansätze für mehr Resilienz in unserer globalen Unsicherheitsgesellschaft brauchen und wie wir durch Krisen wachsen können.
Neben seinem akademischen Erfolg – einem H-Index von 53 sowie mehr als 38‘000 Zitationen auf Google Scholar – ist Markus auch als Berater tätig: So etwa beim Internationalen Währungsfonds (IWF), der Federal Reserve Bank of New York, dem Europäischen Ausschusses für Systemrisiken, der Deutschen Bundesbank, und dem US Congressional Budget Office. Zudem ist er mit dem National Bureau of Economic Research, dem Centre for Economic Policy Research in London, und dem CESifo Netzwerk affiliiert.
Robustheit und Resilienz
Wie uns sowohl die Corona-Pandemie als auch der Krieg in der Ukraine verdeutlichen, sind wir stets der Gefahr von überraschenden Schocks ausgesetzt. Zudem kommen Krisen selten allein und resultieren oftmals in Folgekrisen. Wie Markus argumentiert, erfordern diese Krisenkaskaden ein Umdenken: Während wir bislang auf robuste Systeme gesetzt haben, ist es notwendig, die Resilienz unsere Gesellschaft auszubauen.
Was ist der Unterschied zwischen Robustheit und Resilienz? Robustheit sehen wir bei einer Eiche im Sturm: Sie trotzt ihm bis zu einem gewissen Punkt, knickt aber schließlich doch um. Im Vergleich dazu ist das Schilf besser für den Sturm gerüstet. Es gibt schon früher nach – aber es steht auch wieder auf. Während bei der Robustheit auf das Blockieren von Schocks gesetzt wird, ermöglicht Resilienz uns, dass wir auf diese Schocks reagieren können. Zudem erfordert Resilienz weniger Redundanzen und ist dementsprechend günstiger und flexibler.
Da Robustheit auch für Risikovermeidung steht, werden Krisen lediglich verschoben, bis sie später umso stärker ausbrechen. Der resiliente Ansatz geht stattdessen Risiken ein und lernt dadurch, mit Krisen umzugehen. Markus plädiert daher für ein dynamisches Resilienzmanagement anstelle eines statischen Risikomanagements. Besonders gut wird dies am Beispiel unseres Immunsystems deutlich: Wenn wir als Kinder in einer sterilen Umwelt aufwachsen, vermeiden wir zwar Krankheiten, schwächen unseren Körper dafür aber für den Ernstfall. Sind wir hingegen regelmäßig Krankheitserregern ausgesetzt, so lernt unser Immunsystem stetig dazu.
Natürlich soll dies im Umkehrschluss nicht heißen, dass wir jedes Risiko eingehen sollen. Stattdessen ist es wichtig, Risiken so weit einzugehen, dass wir auch wieder „zurückfedern“ können. Die Metapher des zurückfedernden Schilfs muss dabei nicht bedeuten, dass nach einem Schock alles wieder so ist wie davor: So hat uns beispielsweise die Coronakrise einen neuen Normalzustand gebracht und das Arbeiten von Zuhause aus aufgewertet. Resilienz kann uns also auch neues Wachstum in bislang unterentwickelten Bereichen bescheren.
Resilienz ist jedoch kein Allheilmittel. Markus betont, dass wir auf drei sogenannte Resilienzzerstörer achten müssen: Erstens besteht die Gefahr, dass wir von Fallen, etwa Armutsfallen oder Liquiditätsfallen, gefangen sind. Zweitens können bestimmte Schocks zu einem Rückkopplungseffekt führen und uns so in eine Dauerschleife von Krisen verwickeln. Drittens stehen wir möglicherweise vor gefährlichen Kipppunkten, also vor Grenzen, deren Überschreiten unsere Resilienz nachhaltig zerstört. Allerdings kann uns Resilienz auch ermöglichen, diesen Kipppunkten zu entfliehen.
Eine resiliente Gesellschaft
Resilienz kann sowohl bei Individuen als auch bei Systemen und Gesellschaften angewendet werden. Dabei hilft Resilienz nicht nur bei Schocks, sondern auch bei dem Umgang mit Externalitäten. Ein gutes Beispiel dafür sind etwa Hamsterkäufe, bei denen die Angst vor Knappheit diese Knappheit schneller hervorruft. Um Externalitäten und Schocks in den Griff zu bekommen, besteht ein Gesellschaftsvertrag, der gegenseitige Hilfe ermöglicht. Wie Markus betont, sind neben der Regierung und Märkten vor allem soziale Normen wichtig für die Implementation eines resilienten Gesellschaftsvertrages.
Gesamtgesellschaftlich gesehen sind auch Resilienzen ungleich verteilt: Wer resilienter ist, kann leichter wieder zurückfedern, wenn sich eine risikobehaftete Chance ergibt. Eine Verlagerung von Robustheit auf Resilienz hat zahlreiche Implikationen auf Policy-Ebene. Markus verhandelt in seinem Buch die Policy-Implikationen der Resilienz in Bereichen wie beispielsweise unseren globalen Lieferketten, der Geopolitik, und dem Klimawandel. Mehr dazu erfährst du auch in unserem Digital Hub, das den spannenden Vortrag von Markus sowie eine angeregte Diskussion über die verschiedenen Aspekte der resilienten Gesellschaft beinhaltet. Du findest das Modul hier.