Blinder Glaube an Experten, eine Wissensgesellschaft, für die uns die passenden Werkzeuge fehlen, und so viele Bäumen, dass wir den Wald nicht mehr sehen können. Ja, die Welt ist komplex. Um mit dieser Komplexität besser zurecht zu kommen, hilft es oft, über den Tellerrand zu schauen und sich neuen Ideen und Ansätzen zu öffnen.
Dieses Prinzip gilt auch für #uncoveringblindspots, das neue digitale Diskussionsformat des Global Behavioral Economics Networks (GBEN). Dabei teilen Expertinnen und Experten aus Bereichen abseits der Verhaltensökonomie ihr Wissen und diskutieren es mit Gerhard Fehr, einem ausgewiesenen Empiriker und Verhaltensökonomen. Dieses bewusste Crossover der Disziplinen soll helfen, eingefahrene Denkmuster durchzulüften und gemeinsam Licht auf unsere Blindspots zu lenken, also all die blinden Flecken, die unsere subjektiven Erfahrungen, unsere Kultur und unsere Einstellungen oft verbergen.
Kontextkompetenz als wichtigste Ressource
Der erste Gast bei #uncoveringblindspots am 1. September 2020 war Wolf Lotter, der unter anderem als Gründungsmitglied des Wirtschaftsmagazins „brand eins“ ebendort jeden Monat erhellende Essays zu den großen Themen unserer Zeit verfasst. In seinem neuen Buch „Zusammenhänge. Wie wir lernen, die Welt wieder zu verstehen“ ermutigt Lotter zu einem konsequenten Umdenken. Wir versuchen permanent Komplexität zu verringern, so Lotter, anstatt sie uns produktiv zu erschließen. Und wir lassen uns von Besserwissern bevormunden, anstatt in unser eigenes Wissen zu investieren.
Lotter fordert daher dazu auf, sich Kontextkompetenz anzueignen – die Fähigkeit, Zusammenhänge herzustellen. Wer Zusammenhänge erschließt und für andere zugänglich macht, erschließt Lösungen, Antworten, Aussichten. Komplexität ist in diesem Kontext für Lotter kein Problem, sondern die wichtigste Ressource der Gegenwart.
Wie man Kontextkompetenz erwirbt
Doch wie lässt sich Kontextkompetenz erwerben? Gerhard Fehr plädierte im #uncoveringblindspots-Dialog insbesondere für mehr Mut zu Experimenten. Durch sie könne man schnell lernen und neue Zusammenhänge herstellen, die innerhalb bewährter Denkmuster und Verhaltensweisen verborgen blieben. Außerdem, so Fehr, sei der Zeitpunkt dafür ideal: „Um die Corona-Krise zu bekämpfen laufen derzeit so viele Experimente wie noch nie, um Lösungen zu finden. Wir leben in einem neuen Zeitalter der Wissenschaft, und diese Gelegenheit sollten wir nützen.“
Diesen Befund teilt auf Wolf Lotter. „Aber es wird keine Wunderformel geben“, so der Autor. „Es reicht schon, wenn wir uns bemühen, Dinge nebeneinanderstehen und einander ergänzen lassen.“