Dem Volksleiden Spielsucht beizukommen, ist bisher noch niemanden wirklich gelungen. Unter anderem deshalb, weil staatliche Lotterien in vielen Ländern daraus grossen Profit ziehen. Ein Dilemma, denn laut Untersuchungen gehen einer Volkswirtschaft jährlich soziale Kosten im vier- bis fünfstelligen Euro- bzw. Dollarbereich pro Spieler verloren.
Deutschland versucht es mit Aufklärung und schreibt den Glücksspiel-Unternehmen diverse Warnungen vor, die den Spielern die möglicherweise fatalen Konsequenzen ihrer Handlungen vor Augen führen sollen. Sie werden aufgeklärt über Teilnahmekosten, Gewinnhöhe, Gewinn- und Verlustwahrscheinlichkeit. Allerdings, so Christoph Reese, Patrick Ring und Ulrich Schmidt in der Ökonomenstimme:
Das deutschlandweit prominenteste Lotteriesystem 6 aus 49 klärt über all diese Angaben auf, wirbt aber vor allem mit den Gewinnwahrscheinlichkeiten: 140 Millionen für den Jackpot in Gewinnklasse 1 (sechs Richtige und Superzahl), etwas bessere Quoten in den niedrigeren Gewinnklassen. Die Wahrscheinlichkeit, mit einem abgegebenen Schein gar keinen Erfolg zu haben, wird nicht explizit aufgeführt, kann aber theoretisch aus den sonstigen Angaben berechnet werden. Sie liegt bei knapp 97%.
Sicheres Geld oder doch lieber zocken?
Die drei Verhaltensökonomen machten sich auf die Suche nach dem Suchtfaktor und testeten im Labor das Verhalten von 74 Probanden, darunter 25 pathologische Spieler. Die Teilnehmenden sollten sich entscheiden, entweder eine fixe Summe zu erhalten oder Lotto zu spielen, wobei sie mit einer gegebenen Wahrscheinlichkeit ein Mehrfaches dieser Summe gewinnen (beziehungsweise verlieren) konnten.
So wollte man feststellen, wie unterschiedlich Gewinnwahrscheinlichkeiten wahrgenommen werden. Das Ergebnis: Verluste taten allen Beteiligten gleich weh. Betreffend Gewinnchancen zeigte sich allerdings bei den Spielsüchtigen eine verzerrte Wahrnehmung nach oben – und damit erhöhte sich auch ihre Risikobereitschaft signifikant.
Aus diesen Ergebnissen folgern die Wissenschaftler, dass der richtige Nudge Gambler dazu bringen könnte, nicht in die Teufelsspirale Spielen – Verlieren – Verschulden – Abstürzen zu geraten. Kommuniziert werden sollten demnach nicht die Gewinnchancen eines Glücksspiels, sondern die immens hohen Verlustwahrscheinlichkeiten (à la „999 von 1000 Losen verlieren“):
Sätze [wie dieser] würden zwar objektiv gesehen keine neue Information bieten, aber dennoch die gesamte Lotterie in einen neuen Zusammenhang bringen, der sie für Spielsüchtige weniger attraktiv macht, zumal ohnehin bekannt ist, dass Menschen dazu neigen, Verluste höher zu gewichten als Gewinne (Verlustaversion). Es handelt sich faktisch um einen Nudge, ein sanftes Anstupsen des Spielers mit der Frage, ob er sich die Lotterieteilnahme nicht doch noch einmal überlegen möchte – ohne dass es gleich stärkerer staatlicher Regulierungen bedürfte.