KI auf Nachrichtenportalen: Wer erzielt mehr Klicks – Mensch oder Maschine?

Algorithmen sind gut im Personalisieren von Nachrichteninhalten, bergen aber die Gefahr von Filterblasen. Redaktoren können den Wert unerwarteter Ereignisse besser einschätzen. Eine Hybridlösung birgt das höchste Klick-Potenzial, so ein Experiment.

KI auf Nachrichtenportalen: Wer erzielt mehr Klicks – Mensch oder Maschine?

Wer ist besser darin, Leser von Online-Nachrichten zu generieren – Redaktore oder Algorithmen? Im Rahmen eines Experiments in Deutschland wurde untersucht, ob künstliche Intelligenz mittlerweile menschliche Redaktore im Auswählen von Nachrichten übertrumpft. Dafür stellten Journalisten in Kooperation mit einer bekannten Nachrichtenseite über mehrere Monate hinweg Artikel zusammen. Einer der gelisteten Beiträge wurde jedoch von einem Algorithmus ausgewählt, der sich an den bisherigen Vorlieben des jeweiligen Lesers orientiert. Zur Kontrolle bekam eine weitere Gruppe an Lesern eine Liste von Beiträgen zu sehen, die ausschliesslich von Menschen kuratiert war.

Der vom Algorithmus gewählte, personalisierte Beitrag wurde von den Usern tatsächlich besonders oft angeklickt, vor allem dann, wenn der Betreffende die Nachrichtenseite sehr häufig aufsuchte und damit die künstliche Intelligenz (KI) mit ausreichend Datenmaterial fütterte. Allerdings verlor der Algorithmus ab circa 50 Besuchen der Website an Macht und stagnierte. Schuld daran ist das Gesetz der abnehmenden Grenzerträge.

Falls der Algorithmus über zu wenig Datenmaterial verfügte, hatte die ausschliesslich von Redaktoren gestaltete Seite die Nase vor.

Gefahr der “Filterblase”

Idealerweise können einander Mensch und Maschine ergänzen, so die Wissenschaftler. Den News-Wert unerwarteter Ereignisse etwa können Menschen besser einordnen. Zu viel Verlass auf KI kann jedenfalls unerwünschte Folgen nach sich ziehen:

Gerade im Kontext von politischen Nachrichten könnte Personalisierung dazu führen, dass sich individuelles Leseverhalten im Widerspruch zu «sozial optimalem» Leseverhalten entwickelt, wo BürgerInnen gut informiert am demokratischen Prozess teilnehmen. Wir stellten fest, dass die Gruppe von LeserInnen, die personalisierte Nachrichten angezeigt bekommen, mit grösserer Wahrscheinlichkeit eher wieder auf die gleiche Art von Artikeln klicken. Anders ausgedrückt: Im Vergleich zur Redaktion tendiert der Algorithmus eher dazu, eine «Filterblase» zu erzeugen, die dazu führt dass eine engere Auswahl von Themen angeklickt wird.

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Je höher die «digital literacy» der User, desto weniger lassen sie sich vom Algorithmus leiten. Beziehungsweise umgekehrt: Je extremer die politischen Ansichten, desto häufger klicken sie auf Artikel, die ein Algorithmus empfohlen hat.

Quelle: Jörg Claussen et al, Algorithmus oder Redaktion – wer gewinnt mehr LeserInnen in Nachrichtenportalen?, oekonomenstimme.org, 6. März 2020