Feldstudie in Norwegen zeigt: Erinnerungsbriefe erhöhen Steuermoral erheblich

Wo die staatliche Kontrolle über die Steuermoral ihrer Bürger schwierig ist, hilft der Appell am Gewissen: Hier wirken schon einfache Nudges wie eine schriftliche Erinnerung.

Feldstudie in Norwegen zeigt: Erinnerungsbriefe erhöhen Steuermoral erheblich

Steuerhinterziehung sorgt für massive Lücken im Staatshaushalt und führt in Folge zu erheblichen sozialen Ungerechtigkeiten – eine grosse Herausforderung für alle modernen Gesellschaften. Der Verlust an Staatseinnahmen beträgt in den Vereinigten Staaten beispielsweise 500 Milliarden USD pro Jahr, was dem gesamten Haushaltsdefizit entspricht, und in Griechenland 11 Milliarden Euro (30% des Staatsdefizits). Steuerhinterziehung ist allerdings besonders schwer beizukommen, wenn sich die Finanzbehörde auf selbst gemeldete Daten verlassen muss. Zahlreiche Steuerzahler nehmen die Hintertür und melden ihr Einkommen zu niedrig.

Um eine bessere Steuer-Compliance zu erreichen, besteht der traditionelle Ansatz meist darin, die Verfolgung von Steuerflüchtlingen zu verstärken und Strafen zu erhöhen. In den letzten Jahren versuchen Politiker und Wissenschaftler aber besser zu verstehen, ob auch andere, sanftere Massnahmen die gewünschten Effekte zu erzielen.

Um die Rolle der moralischen Motivation zu untersuchen, führte eine Gruppe Wissenschaftler zusammen mit der norwegischen Steuerverwaltung (NTA) ein umfangreiches Feldexperiment durch. Die Stichprobe bestand aus 15.000 Steuerzahlern, bei denen wahrscheinlich war, dass sie ihr im Ausland erwirtschaftetes Einkommen im vergangenen Steuerjahr falsch gemeldet hatten. Dazu muss man wissen, dass Informationen über ausländische Einkünfte in den vorausgefüllten norwegischen Steuererklärungen nicht enthalten sind, die Steuerzahler müssen diesbezügliche Informationen selbst angeben. Für die Steuerbehörden war es schwierig, die selbst gemeldeten Informationen zu überprüfen, da sie keinen Zugriff auf Berichte von Dritten aus dem Ausland hatten. In den letzten Jahren hat sich dies jedoch aufgrund der internationalen Zusammenarbeit der Steuerbehörden geändert.

Briefe steigern das Steuereinkommen kurzfristig

Im Rahmen der Studie wurden Erinnerungs-Briefe in unterschiedlichen Abwandlungen verschickt, was das selbst gemeldete Auslandseinkommen im Folgejahr um rund 122 Mio. norwegische Kronen erhöhte. Die Intervention zeigte klar, dass sowohl moralische Motivation als auch wirtschaftliche Anreize eine Rolle bei der Gestaltung des Verhaltens der Steuerzahler spielen. Im Rahmen der Studie kristallisierte sich aber auch heraus, dass moralische Argumente die Entscheidungsfindung des Steuerzahlers während des Meldungsvorgangs beeinflusste, langfristig aber keine Wirkung mehr zeigte.

Die Autoren interpretieren die Ergebnisse so:

Our preferred interpretation of the treatment effect of the moral letters is that these letters made the moral argument more salient and thereby affected the behavior of the taxpayers, but we cannot rule out that the effect of the moral letters go through other channels. It is, for example, possible that the moral letters affected the taxpayer’s perception of the tax administration and that this in turn affected their willingness to comply. Another possibility is that the moral letters had an effect by changing the mood of the taxpayers, which would be in line with the finding from laboratory experiments that emotions affect prosocial behavior.

Insgesamt konnte nachgewiesen werden, dass einfache moralische Botschaften nicht nur im Labor sondern auch im Feld funktionieren. Eine für die Politik wichtige Einsicht, wenn es darum geht, Steuervermeidung zu reduzieren. Moralische Appelle sollten aber auch Teil des Toolkits jeder Organisation sein, in der Compliance eine wichtige Herausforderung darstellt.

Quelle: Kristina M. Bott et al., You’ve Got Mail: A Randomized Field Experiment on Tax Evasion, Management Science, 22 Oct 2019