Europäische Identität in der Krise: Welche Massnahmen für ein stärkeres Zusammengehörigkeitsgefühl sorgen können

Eine Studie zeigt, dass ein Kennenlernen der anderen EU-Mitglieder die Europäische Identität wieder festigen könnte. Vorgeschlagen werden Förderungsmassnahmen wie Erasmus für Rentner, ein gemeinsamer Rundfunksender oder EU-Beratungsbüros.

Europäische Identität in der Krise: Welche Massnahmen für ein stärkeres Zusammengehörigkeitsgefühl sorgen können

Der Song „What a Feeling“ hat massgeblich zum grossen Erfolg und anhaltenden Kultstatus des Films „Flashdance“ (1983) beigetragen. Angesichts der aktuellen nationalistischen Tendenzen, die unter anderem für den Brexit gesorgt haben, scheint der Erfolgsgeschichte der Europäischen Union hingegen aus heutiger Sicht kein Happy End garantiert. Es ist nämlich bis dato offenbar nicht gelungen, eine europäische Identität zu schaffen. Eine Studie mit dem Titel „What a Feeling?“ beschäftigt sich daher mit potenziellen Massnahmen, die ein stärkeres Zusammengehörigkeitsgefühl in Europa anregen könnten.

In der Ökonomie wird „Identität“ immer mehr als Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit anerkannt. Daher muss eine europäische Identität als Grundvoraussetzungen für ein vereinigtes Europa angesehen werden. Vor diesem Hintergrund beschreibt die Studie Inhalte und Abstufungen der Terminologie “Europäische Identität”, erfasst die aktuellen Trends empirisch und bündelt die Erkenntnisse der Literatur zu den bestimmenden Determinanten einer europäischen Identität.

Auf Basis der so identifizierten Determinanten und Zielgruppen wird eine Klassifizierung von Ansätzen geschaffen, die potenziell eine europäische Identität stiften könnten. Die Einteilung ergibt sich über die Unterscheidung zwischen einer „bürgerlichen“ und einer „kulturellen“ europäischen Identität.

“Erasmus” für Rentner

Sechs Vorschläge werden detaillierter ausgearbeitet:

  1. Das Austausch-Programm „Erasmus“ für Studenten soll zukünftig auch Rentnern ermöglicht werden.
  2. Bildung und Information können über einen öffentlich-rechtlichen EU-Rundfunkanbieter gestärkt werden („kognitive Mobilisierung“).
  3. Ein europäisches Walz-Programm für Arbeitnehmer kann Reisen und Austausch („transnationale Kontakte“) fördern.
  4. Bekämpfung der wirtschaftlichen Ungleichheit wäre möglich, indem auf EU-Ebene eine Bürgerversammlung geschaffen wird.
  5. Um den bürgerlichen Aspekt einer europäischen Identität zu stärken, machen die Autoren den derzeit sehr umstrittenen Vorschlag zur Aufstellung EU-weiter Listen transnationaler Parteien und
  6. die Einrichtung von EU-Beratungsbüros.

Ihren Ergebnissen zufolge sind die Autoren überzeugt, dass vor allem der Austausch – egal ob in Form von Gesprächen oder Reisen/Arbeitsaufenthalten – die europäische Identität nachhaltig stärken kann:

In our view, all these intriguing proposals could each help to increase either the civic or cultural component of European identity and, thereby, provide for a smooth European integration. [..] we do not intend to ‘nudge’ people towards emotional EU appraisal, instead our proposals seek to stimulate democratic debate and fruitful exchange between EU citizens. In contrast, though, to what has been engaged in, our analysis shows that it is less ‘cosmetics’ in terms of the EU’s image or citizens’ participation that seems promising, but instead fostering proper controversial democratic debates and bringing people into exchange with each other, into traveling and learning.

Quelle: Sarah Ciaglia, Clemens Fuest, Friedrich Heinemann, What a feeling?! How to promote ‘European Identity’, EconPol POLICY REPORT, 09 2018 October, Vol. 2