„Dear Doctor“: Wie ein Brief dazu führen kann, dass Ärzte weniger Schmerzmittel verschreiben

Eine laxe Vergabepraxis von Opioiden hat in den USA zu einer Suchtepidemie geführt. Sobald Ärzte allerdings von der tödlichen Überdosis der eigenen Patienten erfahren, werden sie bei der Verschreibung vorsichtiger, zeigt eine Studie.

„Dear Doctor“: Wie ein Brief dazu führen kann, dass Ärzte weniger Schmerzmittel verschreiben

Die amerikanische Opioid-Krise scheint nicht zu stoppen. Vor allem weiße US-Bürger unter 50 fallen den verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln zum Opfer. Die Ursachen sind banal. In den 1980ern waren Ärzte noch zurückhaltend in der Vergabe der Schmerzpräparaten, da sie ihr Suchtpotenzial fürchteten. Aber die Reaktion auf einen Leserbrief im “New England Journal of Medicine” änderte das:

In nur fünf Sätzen erklärte das Autorenduo Jane Porter und Hershel Jick, eine Suchterkrankung nach Gabe von Betäubungsmitteln käme unter Krankenhauspatienten nur extrem selten vor. Von einer ernst zu nehmenden Forschungsarbeit war diese kurze Notiz weit entfernt. Trotzdem zog sie weite Kreise, wurde gar zur “ausgiebigen Studie” hochstilisiert.

Der Rest ist schnell erzählt: Es folgten Papers, die Opiode als hochsichere Gaben gegen Schmerzen adelten, stärkere Präparate mit dem hochgradig suchtgefährdenden Wirkstoff Oxycodon kamen auf dem Markt, manche Pharmaunternehmen verteilten anfänglich grosszügig Gratisrationen in den Ordinationen.

Zuerst Schmerzmittel, dann Heroin

Wer Pillenrationen braucht, kann sie um viel Geld (200 – 400 USD) und wenig Bürokratie in der Arztpraxis abholen. Die Folge: Zwischen 2000 und 2015 fielen eine halbe Million US-Amerikaner einer Opioid-Überdosis zum Opfer. Und viele Abhängige, die sich die Schmerzmittel nicht mehr leisten können, wechseln zum billigeren Heroin.

Abgesehen von einem Gegengift, dass bei einer Überdosis eingesetzt werden kann, wurden noch keine wirksamen Massnahmen gegen das massive Opioid-Problem gefunden.

Einen Teil zu einer Wende beitragen könnte eine verhaltensökonomische Intervention, die an der Quelle ansetzt: bei den Ärzten. Viele erfahren nämlich nicht davon, wenn einer ihrer Patienten an einer Überdosis stirbt. Dieser Missing Link soll geschlossen werden, um Ärzte zu mehr Bedacht beim Verschreiben von Schmerzmitteln zu animieren.

Eine Studie, die über ein Jahr lang mit Spitalsärzten in San Diego County durchgeführt wurde, brachte gute Ergebnisse:

Half the clinicians […] were randomly selected to receive a letter from the county medical examiner notifying them that a patient they had prescribed opioids to in the past twelve months had a fatal overdose. The letter, which was supportive in tone, also provided information from the Centers for Disease Control and Prevention on safe prescribing guidelines, nudging clinicians toward better prescribing habits. In the three months after receiving the letter, prescribing decreased by 9.7 percent compared to the control group who didn’t receive a letter. Furthermore, clinicians who received the letter were 7 percent less likely to start a new patient on opioids and less likely to prescribe higher doses.

Das Versenden der „Dear Doctor“-Briefe ist eine hilfreiche und kostengünstige Strategie, die viele Leben retten könnte. Gleichzeitig wird den Ärzten nicht die Entscheidungsfreiheit bei der Behandlung ihrer Patienten genommen, wie der Studienleiter betont:

[…] we know opioids, though beneficial to some patients with certain conditions, come with high risks that the doctor may not fully grasp when observing patients in the clinic. Providing information about harm that would otherwise go unseen by them gives physicians a clearer picture.

Quellen: