Erinnerungslücken bei unethischem Verhalten treten systematisch auf – und können zu weiteren Vergehen führen

Um unser Selbstbild als guter Mensch zu erhalten, lässt das Gehirn nach ethischem Fehlverhalten die Details verblassen. Die häufige Konsequenz: Wenig Einsicht und weitere Regelbrüche.

Erinnerungslücken bei unethischem Verhalten treten systematisch auf – und können zu weiteren Vergehen führen

Die meisten Skandale, die aus der Wirtschaftswelt an die Öffentlichkeit dringen, beruhen auf Unehrlichkeit. Ob VW jahrelang falsche Abgaswerte angibt oder Mitsubishi sogar über ein Vierteljahrhundert hinweg die Daten zum Treibstoffverbrauch manipuliert – unethisches Verhalten findet man nicht nur in der Auomobilindustrie, sondern auch in anderen Branchen.

Aber wie kommt es dazu? Eine Studie deckt unter anderem auf, dass das menschliche Gehirn Erinnerungslücken zeigt, sobald es um das eigene inkorrekte Verhalten geht.

When people fail to live up to their own moral standards, this knowledge is unpleasant and threatens their self-image as honest and good. Consequently, they engage in various strategies to reduce their distress, including forgetting these memories. Such memory biases and distortions are not accidental; rather, they are motivated to support our self-concept and identity.

Diese Tendenz wird von den Forschern als “unethische Amensie” bezeichnet: Ein Mechanismus, um mit dem psychologischen Unwohlsein nach einem Fehltritt umgehen zu können. Dieses Muster hat weitreichende Folgen.

Negative Kettenreaktion

Für eine Studie wurden die Probanden aufgefordert, Situationen, in denen sie sich falsch verhalten haben, nach ein paar Tagen niederzuschreiben. Im Vergleich zu denjenigen, die sich nichts vorzuwerfen hatten, konnten sich Menschen mit schlechtem Gewissen an viel weniger Details erinnern.

Ausserdem stellte sich heraus, dass “unethical amnesia” zu einer negativen Kettenreaktion führte: Wem nach einigen Tagen noch einmal die Chance gegeben wurde, einen vorsätzlichen, nicht angezeigten Betrug wieder gut zu machen, der wurde meistens wieder zum Delinquenten.

Unehrliche Aktionen führen also zu einem Verschwimmen der Erinnerung und in Konsequenz zu weiteren Betrügereien. Die Autoren schreiben:

Understanding the psychology that drives decisions can help us make sense of corporate cheating scandals and, hopefully, behave more ethically, and promote more ethical behavior in our own organizations.

Quelle: Francesca Gino, Maryam Kouchaki, We’re Unethical at Work Because We Forget Our Misdeeds, hbr.org, May 18, 2016