Juliane Kästner befragte Gerhard Fehr für ihren Blog zu einem aktuell intensiv diskutierten Thema: Das bedingungslose Grundeinkommen. Hier ein paar Auszüge:
Juliane Kästner: Die grosse Frage, die im Zusammenhang mit dem bedingungslosen Grundeinkommen immer wieder gestellt wird, ist, ob die Einwohner der Schweiz weiter arbeiten werden. Wie beurteilen Sie dies aus verhaltensökonomischer Sicht?
Gerhard Fehr: Ich denke, dass Arbeiten für viele Menschen einen elementaren Bestandteil ihres Lebens darstellt. Und insofern glaube ich, dass es einen Grossteil der Menschen geben wird, die trotzdem weiter arbeiten werden. Diese Frage für sich erlaubt keine Beurteilung für das bedingungslose Grundeinkommen.
Ich denke, die richtigen Fragen wären, wie hart die Menschen nach der Einführung eines solchen Grundeinkommens arbeiten werden, was genau die Anreizeffekte sind, die sich daraus ergeben können. Wird damit Motivation aus dem Arbeitsmarkt verdrängt? Diese Effekte müsste man sich genauer anschauen.
Wir haben in der Schweiz bei den gebildeten Arbeitskräften eine Arbeitslosenquote, die teilweise bereits im Negativen liegt. Dies ist eine der Problematiken. Können hier schon kleine Verschiebungen in wichtigen Industrien dazu führen, dass Unternehmen keinen Zugang mehr zu wichtigen Schlüssel-Mitarbeitern finden, die sie unbedingt benötigen? Und erbringen dann diese Mitarbeiter möglicherweise nicht die Leistungen, die für das Unternehmen notwendig sind? […]
Die sozialen Präferenzen sind gleich geblieben
Was denken Sie, wie sich die Generation Z bei einem bedingungslosen Grundeinkommen verhalten würde?
Haben sich die Menschen in den letzten 20 Jahren verändert? Nein. Die sozialen Präferenzen sind gleich geblieben, die Geduld oder das Vertrauen haben sich auch nicht merklich verändert. Klar, die Werte der jungen Menschen sind unterschiedlich. Sobald die Generation Y oder Z aber für ihre Werte bezahlen muss, ist sie meiner Meinung nach nicht bereit dafür.
Warum verhalten sich derzeit jungen Menschen anders am Arbeitsmarkt? Dies mag daran liegen, dass sich dieser verändert hat. Die Babyboomer-Jahrgänge ziehen sich vom Arbeitsmarkt zurück. Gleichzeitig treten weniger Arbeitskräfte in den Markt ein, was sich in einem veränderten Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage niederschlägt.
Parallel haben sich beispielsweise die Wohnverhältnisse verändert. Man zog damals als junger Mensch wohl gern bei seinen Eltern und ihrer 60m2 grossen Wohnung aus. Heute lässt es sich in einer 120m2 grossen elterlichen Wohnung jedoch gut einrichten.
Diese veränderten Rahmenbedingungen würden wohl in Kombination mit einem bedingungslosen Grundeinkommen dazu führen, dass sich der Markteintritt der Generation Z ein wenig nach hinten verschiebt. Die Annehmlichkeiten geben einen Anreiz, sich ein bisschen mehr Zeit zu lassen – wenn es nicht zu viel kostet. Aber das ist eine reine Hypothese – ich habe mich mit dieser Frage noch nicht intensiv genug auseinander gesetzt, um eine abschliessende Meinung zu vertreten. […]
Aber wenn ich durch den Arbeitskräftemangel als Arbeitnehmer nun mehr Optionen habe, hätte ich dann nicht den Anreiz, den Arbeitgeber zu wechseln, wenn mir das Management Modell nicht entspricht?
Die soziale Norm zu arbeiten, besteht weiter und die Menschen gehen nicht aus dem Arbeitsmarkt. Ich glaube nicht, dass die Menschen mit einem bedingungslosen Grundeinkommen grössere Forderungen stellen. […]
Wieso wir flache Hierarchien, dezentrale Organisationsformen und mehr Selbstverantwortung der Mitarbeiter benötigen, hat mehr damit zu tun, dass wir in einer Wissensgesellschaft leben. Wenn ich ein Unternehmen wirklich hoch-performant führen möchte, kann ich es mir nicht leisten, das Wissen meiner Mitarbeiter nicht einzusetzen. Die Unternehmen, die dies gekonnt tun, werden die Gewinner sein.
Das gesamte Interview ist hier abrufbar: