Der durchschnittliche Haushalt verändert die Zusammenstellung seiner fondsgebundenen Pensionsvorsorge nie, obwohl das von Zeit zu Zeit ratsam wäre. Andere Anleger kaufen und verkaufen in hoher Frequenz, statt sich durchzuringen, Papiere einmal eine Weile liegen zu lassen – was erfahrungsgemäss langfristig für die beste Rendite sorgen würde. Eine ebenfalls problematische Strategie verfolgen wiederum jene, die vertrauensvoll und in grossem Umfang auf die Papiere ihres Arbeitgebers bauen.
Dass Konsumenten nicht immer die klügsten Anlageentscheidungen treffen, wenn sie selbst ihr Portfolio verwalten, wurde im vergangenen Jahrzehnt intensiv untersucht. Ob es ihre Investitionsstrategien positiv oder negativ beeinflusst, wenn dabei ein Finanzexperte zu Rate gezogen wurde, schien die Wissenschaft bisher wenig zu interessieren – obwohl laut Hung et al (2008) 73 Prozent aller Privatanleger einen Berater konsultieren.
Diese hohe Zahl legt den Verdacht nahe, dass auch Finanzspezialisten ihren Teil dazu beitragen, wie sich individuelle Anlagetendenzen zu einem Gesamtbild des Marktes zusammenfügen. Es liegt auch in ihrer Macht, die Fehleinschätzungen einzelner Anleger zu korrigieren – oder sogar zu verschärfen.
Dieses Zusammenspiel wurde von den Professoren Mullainathan aus Harvard und Nöth von der Universität Hamburg untersucht. Sie konzentrierten sich auf den US-Markt und liessen Finanzberater von angeblichen Anlegern besuchen, deren Portfolios entweder zu einem Drittel aus Papieren gerade gut gehender Branchen („chasing fund returns“) oder aus den Aktien des vorgetäuschten Arbeitgebers („employer stocks“) bestanden.
Es zeigte sich, dass demographische Daten wie Einkommenssituation, Ersparnisse oder Familienstand von 75 Prozent der Berater abgefragt wurden. In einigen wenigen Fällen wurden diese Informationen dann auch in den vorgeschlagenen Investitionsstrategien berücksichtigt – etwa, indem Ehepaaren eher langfristig gebundene Anlagen empfohlen wurden oder weiblichen, alleinstehenden Kundinnen mehr zu Liquidität geraten wurde. In ihrem Bemühen, Portfolios der Lebenssituation ihrer Kunden anzupassen, gingen die Finanzspezialisten also noch am ehesten mit der Anlagetheorie konform.
Rat zur Eigenverwaltung statt Indexfonds
Bedenklich zeigte sich allerdings die Tendenz mancher Berater, ihr Gegenüber zur riskanten Selbstverwaltung ihrer Wertpapiere zu drängen (50 Prozent) anstatt es etwa für Indexfonds zu erwärmen (7,5 Prozent). Und Portfolios von Kunden, die primär Trends nachjagten, schienen häufig auf Gefallen zu stossen. Gebühren wurden, falls überhaupt erwähnt, meist heruntergespielt.
Ebenfalls auffällig war das geschmeidige Vorgehen mancher Spezialisten. Sie unterstützten die bisherigen Strategien ihrer Kunden oder stellten sie zumindest nicht in Frage, um Glaubwürdigkeit herzustellen. Besonders gegenüber den (angeblichen) Besitzern von Wertpapieren ihres Arbeitgebers verhielten sich die Konsulenten ambivalent: Sie befeuerten diese Strategie zwar nicht aus vollem Herzen, stellten die Anlagen aber auch nicht schlecht dar, um einen Interessenskonflikt zu vermeiden.
Insgesamt zeigt die Studie, dass der Markt für Anlageberatung kein perfekter ist. Im Grossen und Ganzen scheinen Berater nicht zur Entschärfung von Anlagefehlern beizutragen. Nur die nach demographischen Spezifika angepassten Anlageempfehlungen fielen recht zufriedenstellend aus.
Laut der Studienautoren bergen diese Resultate eine Reihe weiterer Fragen: Untersucht gehört beispielsweise, wie die Beratungsqualität von Anreizen für die Konsulenten abhängt. Und auch, wie sich die Nachfrage nach Beratungsleistungen generiert beziehungsweise wie diese von Kunden beurteilt werden. Die Klärung dieser Fragen könnte helfen, die für das Gleichgewicht am Markt für Finanzberatung verantwortlichen Kräfte besser zu verstehen – und in der Folge auch für eine bessere Leistung für die Kunden zu sorgen.
Dieser Artikel erschien auch im Publiblog “Das Geld und ich”
Foto: Dave Dugdale, Lizenz: CC BY-SA 2.0, More …