Unsichtbare Milliarden: Der wahre Wert journalistischer Inhalte für Google

Journalistische Inhalte sind unverzichtbar für den digitalen Erfolg von Plattformen wie Google – doch ihr Wert bleibt oft unsichtbar. Eine neue evidenzbasierte Analyse der FehrAdvice & Partners AG beleuchtet, wie groß die Lücke zwischen Nutzung und Vergütung wirklich ist. Ein Gastkommentar des Kommunikationsexperten und Publizisten Stephan Scoppetta.

Google gehört zu den größten Gewinnern der digitalen Informationsgesellschaft. Milliarden Menschen suchen täglich über die Plattform – und ein erheblicher Teil dieser Suchen führt zu journalistischen Inhalten. Doch während Medienhäuser hochwertige Informationen liefern, ist ihre finanzielle Beteiligung am entstehenden Wert gering. Dabei sind journalistische Beiträge nicht nur ein zusätzlicher Service – sie bilden einen essenziellen Bestandteil des Nutzererlebnisses und tragen entscheidend zur Markenwahrnehmung und Nutzerloyalität bei.

Wie groß diese Lücke wirklich ist, zeigt eine neue, datenbasierte Analyse von FehrAdvice & Partners AG. In mehreren europäischen Ländern wurden reale Nutzungssituationen experimentell simuliert – mit einem klaren Ziel: den ökonomischen Beitrag von Nachrichteninhalten für Google präzise zu beziffern. Die Ergebnisse zeichnen ein deutliches Bild: Ohne journalistische Inhalte sinken Nutzung, Vertrauen und Zahlungsbereitschaft spürbar – und Googles Plattform verliert an Relevanz. Dennoch zahlt Google europaweit nur einen Bruchteil dessen, was fair wäre. Das Problem: Intransparenz und eine strukturelle Machtasymmetrie zwischen Plattform und Medienhäusern. Was helfen kann? Evidenzbasierte Fakten – und kollektives Handeln.

Google zahlt, aber unter Wert

Bis Anfang 2025 hat Google mehr als 4.400 Lizenzvereinbarungen mit Medien in 24 EU-Staaten abgeschlossen. Die Verträge decken Programme wie «News Showcase» oder „Extended News Previews“ ab. Doch trotz dieser Vielzahl an Vereinbarungen fließen laut Branchenquellen jährlich nur 150 bis 200 Millionen Euro an europäische Medienhäuser. Ein Vergleich mit den Unternehmenszahlen verdeutlicht die Schieflage: Im ersten Quartal 2025 meldete Google einen Gewinn von 34,54 Milliarden US-Dollar. Der Wert, den Medieninhalte schaffen, ist um ein Vielfaches höher als die tatsächlichen Zahlungen. Studien sprechen von einem fairen Umsatzanteil von sechs bis sieben Prozent der relevanten Google-Erlöse. Davon ist die Realität weit entfernt. Gerade kleinere und regionale Medienanbieter bleiben trotz ihrer Relevanz oft weitgehend unterkompensiert.

Experimente zeigen den wahren Wert

Die Studien von FehrAdvice & Partners AG liefern nicht nur Schätzungen, sondern fundierte Daten. (Studie für die Schweiz / Studie für Polen) Statt auf klassische Befragungen zu setzen, wurden experimentelle Designs entwickelt, in denen reale Nutzungssituationen simuliert wurden. Nutzerinnen und Nutzer interagierten in gezielten Tests mit Google-Suchergebnissen – mal mit, mal ohne journalistische Inhalte. Dabei wurden Verhalten, Verweildauer und Zahlungsbereitschaften gemessen. Das Resultat: In der Schweiz liegt der Wertbeitrag journalistischer Inhalte für Google bei mindestens 154 Millionen Franken (ca. 163 Millionen Euro) pro Jahr. In Großbritannien ergaben die Analysen einen fairen Umsatzanteil von rund 2,2 Milliarden Pfund (ca. 2,7 Milliarden Euro). Und in Polen zeigt sich: Ohne journalistische Inhalte sinkt die durchschnittliche Nutzungsdauer um bis zu 12,5 Prozent, während der geschätzte ökonomische Wert journalistischer Inhalte für Google dort bei fast 170 Millionen Euro liegt. Der faire Anteil für die Medienhäuser? Etwa 80 Millionen Euro. Diese Rückgänge lassen sich ökonomisch eindeutig beziffern. Zusätzlich ergaben qualitative Befragungen Hinweise darauf, dass Suchmaschinen mit journalistischem Content signifikant höher bewertet werden – ein wichtiger Indikator für langfristige Markentreue.

Der Blick hinter Googles Testfassade

Google selbst testete Ende 2024 ein anderes Szenario: In acht EU-Ländern wurden für rund ein Prozent der Nutzerinnen und Nutzer alle Nachrichteninhalte aus den Suchergebnissen entfernt. Die eigene Schlussfolgerung: Kein messbarer Einfluss auf die Werbeeinnahmen. Nachrichten seien „ökonomisch nahezu wertlos“. Doch diese Einschätzung steht im Widerspruch zu unabhängigen Untersuchungen. Nutzerumfragen zeigen, dass zwei Drittel der Befragten Suchergebnisse mit Nachrichten bevorzugen. In Großbritannien wären User sogar bereit, 34 Prozent mehr für eine Google-Suche mit journalistischen Inhalten zu zahlen. Auch verhaltensökonomische Experimente zeigen: Die Qualität der Sucherfahrung leidet ohne professionellen Content deutlich. Die Studien von FehrAdvice liefern hierzu ein klares Gegenbild zur offiziellen Darstellung des Konzerns.

Transparenz statt Taktik

Ein zentrales Problem bleibt die Intransparenz. Die Verträge zwischen Google und Medien sind geheim, konkrete Wertschöpfungszahlen fehlen. Dieses Informationsungleichgewicht erschwert faire Verhandlungen. Denn wer seinen eigenen Wert nicht kennt, kann keinen angemessenen Preis verlangen. Hier setzt die Methodik von FehrAdvice & Partners AG an: Durch die Kombination von realen Verhaltensdaten, experimentellen Designs und ökonomischer Modellierung entsteht ein neues Maß an Klarheit. Die Studien liefern nicht nur Fakten, sondern auch ein Instrumentarium für medienpolitische Entscheidungsprozesse. Die Ergebnisse sind nicht nur eine analytische Basis – sie sind ein konkreter Hebel für Verhandlungen und gesetzgeberische Initiativen.

Mit Kollektivstrategien zu fairer Vergütung

Einzelkämpfe gegen globale Plattformriesen sind kaum zu gewinnen. Doch auf Basis solider Daten lassen sich kollektive Strategien entwickeln. Wer den eigenen Beitrag kennt, kann Forderungen besser begründen – sei es gegenüber Plattformen oder politischen Entscheidungsträgern. Die Studien aus der Schweiz, Großbritannien und Polen machen deutlich: Der Wert journalistischer Inhalte ist belegbar, der bisherige Ausgleich unzureichend. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um Transparenz in faire Verhandlungspositionen zu übersetzen – und den digitalen Informationsmarkt zukunftsfähig zu gestalten. Gemeinsam können Medienhäuser auf Grundlage harter Daten neue Standards für eine gerechtere Wertschöpfung setzen.

Stephan Scoppetta ist Publizist und Kommunikationsberater und leitet heute die Agentur Unlimited Communications in Wien (www.ucom.at). Zudem ist er Haupteigentümer der Feuereifer Media Relations GmbH (www.feuereifer.at)