Wie in meinen vergangenen Artikeln zum Thema Entscheidungsarchitektur ausgeführt, dient das Prinzip des Nudging dazu, Menschen zu besseren Entscheidungen anzuregen ohne sie zu bevormunden. Das gilt sowohl für den öffentlichen als auch den privaten Sektor. Vor allem im Privatsektor wird schon lange gestupst. Zeitschriften etwa bieten kostenlose Probeabos an, die automatisch zu richtigen Abonnements werden, wenn wir sie nicht rechtzeitig kündigen, was wir oft vergessen. Supermärkte lenken uns in Richtung von Produkten, die uns in Versuchung bringen. Und bei beiden Beispielen ist klar: Die Entscheidungsarchitekturen sind so angelegt, dass wir das Abo behalten oder Produkte kaufen, die vielleicht gar nicht auf unserer Einkaufsliste standen.
Logisch, denn niemand verdient Geld damit, Menschen davon zu überzeugen, Dinge nicht zu kaufen. Vielmehr können Unternehmen davon profitieren, wenn sie die Schwächen von Menschen gezielt ausnutzen. Nicht zuletzt darum hat eine ausgeklügelte Entscheidungsarchitektur nicht nur viel Kraft, sondern erfordert auch ein deutliches Mass an Verantwortung und Abwägung.
Bei alltäglichen Dingen, die wir oft kaufen und kennen, lassen sich für Kunden schnell die guten von den schlechten Angeboten unterscheiden, da wir durch den wiederholten Kauf Erfahrungen sammeln konnten
Mehr Erfahrung, einfachere Entscheidungen
Dazu nur ein Beispiel: Wenn es ein Friseur nicht schafft, einem die Haare so zu scheiden wie gewünscht und dann zusätzlich noch die Preise erhöht, werden ihm die Kunden wegbleiben. Sein Verhalten ist schliesslich auch sehr transparent: Er bietet miserable Qualität und will einen obendrein abzocken.
Wenn ein Kunde anders als bei einem Friseur wenig oder gar nichts über die Qualität eines Produktes weiss, lässt sich seine Unwissenheit allerdings ausnutzen und daraus Profit schlagen. Das kann fatale Folgen, wie die Finanzkrise des Jahres 2008 zeigt. Vielen Menschen waren damals Vereinbarungen mit Hypotheken-Maklern eingegangen, die sie zwar nicht verstanden, aber sehr gut klangen. Die Kunden akzeptierten die Hypothekarverträge, da sie die genaue Ausgestaltung dieser Verträge nicht kannten.
Von der Verantwortung zur Transparenz
Die Entscheidungsarchitektur dieser Verkaufsgespräche war darauf angelegt, nichts von verborgenen Risiken zu erzählen. Und als die Kreditnehmer bemerkten, dass die Zinsen mit der Zeit doch deutlich höher wurden als im Lockangebot versprochen, war der vermeintliche Wert des Hauses bereits implodiert – und der Makler mit der Provision längst über alle Berge.
Auch Richard H. Thaler und Cass R. Sunstein widmen sich in ihrem Buch “Nudge” den vielen moralischen Fragen, die Entscheidungsarchitekten beschäftigen müssen. Ihr Rat ist ziemlich simpel: Transparenz herstellen und Kontrollmechanismen einführen:
“Unsere Aufmerksamkeit sollte allen Entscheidungsarchitekten, öffentlichen ebenso wie privaten, gelten. Was wir brauchen, sind verbindliche Regeln, die Betrug und anderen Missbrauch erschweren, gesunden Wettbewerb fördern, die Macht von Lobbygruppen beschränken und den Entscheidungsarchitekten Anreize geben, dem öffentlichen Wohl zu dienen.”
Und weiter:
“Wir halten das Prinzip der Öffentlichkeit für eine gute Richtlinie, um Nudges zu realisieren und zugleich Grenzen zu setzen – sowohl im öffentlichen wie auch im privaten Sektor.”
Fazit:
- Für Entscheidungsarchitekten sind Manipulationen aller Art abzulehnen, eben weil sie unsichtbar und damit unmöglich zu kontrollieren sind.
- Transparenz und Kontrolle sorgen für bessere Entscheidungen und beugen dem Missbrauch menschlicher Schwächen vor.