Verhaltensökonomische Studie:

Der Mensch im Verkehr: ein Homo Oeconomicus?

Studie zum Mobilitätsverhalten in der Schweiz

Klassisch ökonomische wie auch verkehrsplanerische Betrachtungsweisen gehen im Kontext Verkehr von einem Menschen aus, der stets rational handelt und seine Entscheidungen praktisch ausschliesslich aufgrund von objektiven Zeit- und Kostenfaktoren trifft. Diese in vielen Studien und auch in der Praxis vorherrschende Betrachtungsweise hat einen starken Einfluss darauf, anhand welcher Aspekte das Mobilitätsverhalten untersucht wird, und führt in einschlägigen Studien und Untersuchungen häufig zu einer Konzentration auf Zeit- und Kostenfaktoren.

Die vorliegende Studie zeigt hingegen, dass die Verkehrsmittelwahl von Menschen bei weitem nicht allein vom Zeitaufwand und von den Kosten der zur Verfügung stehenden Verkehrsmittel bestimmt wird.

Wie wir uns fortbewegen

Für welches Verkehrsmittel sich Menschen tatsächlich entscheiden, hängt von einer Vielzahl an Einflussgrössen ab, die sich in folgende fünf Gruppen kategorisieren lassen

  1. Kosten- und Zeitfaktoren (z.B. Treibstoffkosten, Ticketkosten, Gesamtfahrzeit)
  2. Kontextuelle Faktoren (z.B. Wetter, Uhrzeit, Wochentag)
  3. Individuelle Faktoren (z.B. Art des Trips, Art der Aktivität, Einkaufsmenge)
  4. Psychologische Faktoren (z.B. Flexibilität, Komfort, Status, Unabhängigkeit)
  5. Habitualisierung der Verkehrsmittelwahl (Gewohnheiten)

Ansätze für die Mobilitätspolitik

Der Mensch ist auch in der Mobilität kein homo oeconomicus und trifft seine Entscheide äusserst selten ausschliesslich aufgrund der klassisch ökonomischen Zeit- und Kostenfaktoren. Für das Entscheidungsverhalten sind zahlreiche weitere Faktoren von gleicher oder sogar noch grösserer Bedeutung. Im hier untersuchten Experiment führte schon die Nicht-Berücksichtigung von lediglich drei Kontextfaktoren zu einer Überschätzung der Zeit- und Kostenfaktoren um mehr als die Hälfte.

Diese Erkenntnis hat zentrale Implikationen sowohl für die Forschung wie auch für die Praxis. So zeigt die vorliegende Studie im Kontext von Einkaufsverkehr in einem Experiment mit 1’504 Teilnehmenden, dass die Nicht- Berücksichtigung von wichtigen Treibern der Verkehrsmittelwahl in Befragungen zu starken Überschätzungen der Relevanz von Zeit- und Kostenfaktoren für die Verkehrsmittelwahl führt.

Diese Tatsache gilt es zu berücksichtigen, wenn in der verkehrsplanerischen Praxis die Wirksamkeit und die Wirkungseffizienz von verkehrslenkenden Massnahmen beurteilt werden soll.

Für die weiteren Forschungsarbeiten im Bereich Mobilitätsverhalten macht die Studie ersichtlich, dass für die Beurteilung des menschlichen Verhaltens im Verkehr zwingend umfassende Befragungsmethoden erforderlich sind, die nicht nur Zeit- und Kostenfaktoren abfragen, sondern alle relevanten Kontextfaktoren. Nur so können realitätsnahe, in der Praxis anwendbare Ergebnisse erwartet werden.

Fazit

  • Preise spielen für das Mobilitätsverhalten oft nur eine untergeordnete Rolle. Die verhaltensökonomische Forschung zeigt: Menschen werden von eine Vielzahl weiterer Faktoren beeinflusst, wenn sie ihr Verkehrsmittel wählen.
  • Mit Preis-Massnahmen lässt sich beim Mobilitätsverhalten der Menschen daher nicht die gewünschte Lenkungswirkung erzielen. Sie führen oft sogar zu kontraproduktiven Effekten.
  • Die Behörden tragen die Verantwortung dafür, dass nur Massnahmen ergriffen werden, die auch die gewünschte Wirkung zeigen. Die evidenzbasierten neuen Erkenntnisse aus der Verhaltensökonomie können dabei helfen.

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Auf der Website mobilitaetsverhalten.ch lesen Sie aktuelle Studien zum Mobilitätsverhalten und erfahren, weshalb sich Menschen auch im Verkehr nicht rational verhalten.

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