Studie: Armut beeinträchtigt systematisch die kognitive Leistung – und kann weitere Armut auslösen

MRT-Scans zeigen: Menschen, die in angespannten finanziellen Verhältnissen leben, weisen systematisch weniger graue Hirnsubstanz auf. Das gilt als Indiz für niedrigeres Erinnerungsvermögen und verstärkten Abbau von Gehirnmasse.

Studie: Armut beeinträchtigt systematisch die kognitive Leistung – und kann weitere Armut auslösen

Persönliche Finanzmiseren werden gerne erklärt mit mangelnder Schulbildung, falschen beruflichen Abzweigungen, zu viel Nachwuchs, kurz: unvorteilhaften persönlichen Entscheidungen. Diese Begründungen mögen teilweise richtig sein. Was aber ebenfalls eine grosse Rolle für Geldmangel spielt, ist allein dessen Einfluss auf das Gehirn und Denkvermögen.

Eine Studie konnte den Zusammenhang zwischen einem niedrigen sozioökonomischen Status und Veränderungen im Gehirn feststellen. Dafür wurden die Köpfe von 304 Probanden zwischen 20 und 89 Jahren per MRT nach grauer Substanz durchleuchtet. Ausserdem untersuchte man das Zusammenspiel der Gehirnareale:

In the brain, areas that have related functions often show similar activity: The areas that control speech, for example, tend to interact more with each other and less with the areas involved in different bodily functions. It’s generally considered to be a good thing for brain networks to be “segregated” in this way.

Es zeigte sich, dass Studienteilnehmer mittleren Alters mit höherem sozioökonomischen Status über mehr graue Substanz und besser segregierten Hirnabschnitte verfügen. Beides ist mit höherem Erinnerungsvermögen verbunden und schützt verstärkt gegen Demenz und anderen Formen des Abbaus von Gehirnmasse.

Kindheit in Armut spielt keine Rolle

Weitere Untersuchungen brachten zu Vorschein, dass ein Aufwachsen in armen Verhältnissen keine Rolle spielen dürfte – die mit der Einkommenssituation korrelierenden Entwicklungen im Gehirn treten offenbar erst im Erwachsenenalter ein.

Folgende Gründe könnten dafür verantwortlich sein:

People who had lower-paying jobs might have had worse access to health care and healthy food. They might live in more polluted neighborhoods or have lives that are less intellectually stimulating. The stress of being low on the socioeconomic totem pole raises levels of allostatic load—a measure of stress hormones that cause wear and tear on the body, including the brain.

Die kognitive Belastung eines zu geringen Einkommens komme einer Nacht ohne Schlaf gleich, besagt eine ältere Studie. Die aktuelle Untersuchung erbringt Evidenz, dass zu wenig Geld zu haben auch auf den Geldmangel selbst zurückzuführen ist, der die kognitiven Ressourcen angreift – ein Kreislauf, den man bei entsprechenden Interventionen durchbrechen muss.

Quelle: Olga Khazan, How Income Affects the Brain, theatlantic.com, May 15, 2018