Wenn es darum geht, die Welt um uns zu beschreiben, sind Schlagworte wie Vereinzelung und Individualisierung meist nicht weit. Egal, ob es um den Lebensstil, den Erwerb von Wohlstand, die Wahl des idealen Partners oder Berufs geht – jeder scheint seines Glückes eigener Schmied geworden zu sein.
Dem gegenüber steht die Tatsache, dass wichtige Entscheidungen nach wie vor in aller Regel gemeinsam statt einsam getroffen werden. Das betrifft nicht nur Institutionen, Organisationen und Unternehmen, es gilt auch für den ganz persönlichen Lebensbereich, man denke nur an die private Pensionsvorsorge. Wer möchte nicht rechtzeitig dafür Sorge tragen, dass der Pensionseintritt nicht mit dem Austritt aus dem gewohnten Lebensstandard einhergeht!
Die Verhaltensökonomie hat das Entscheidungsverhalten von Gruppen in den vergangenen Jahren intensiv erforscht: Wer sich für etwas entscheidet, entscheidet sich gleichzeitig immer auch gegen etwas, das Risiko einer Fehlentscheidung ist also unausweichlich, es ist bestenfalls minimierbar. Die Wissenschaft verhält sich genuin oppositionell zur sogenannten Volksweisheit, aber in diesem Fall kann sie getrost auf ein englisches Sprichwort zurückgreifen: The only proof of the pudding is its eating.
So haben denn etwa Shupp und Williams und viele andere nachgewiesen, dass sich Gruppen signifikant rationaler – und somit risikoneutraler – entscheiden als Einzelpersonen, was auf den Pudding übertragen hiesse, dass sie sich eher für klassischen Vanille- oder Schokopudding entscheiden und exotische Geschmacksrichtungen aussen vor lassen, während sich ein mutiger Einzelner schon mal für die Ingwer-Maracuja-Variante entscheidet, zumal die Konsequenzen eines Fehlgriffs in diesem Fall nicht allzu gravierend sein dürften.
Entscheiden Gruppen weniger riskant?
Aber was, wenn es ans Eingemachte, also ums Geld geht? Es liegt auf der Hand, dass die Risikobereitschaft beim Anlageverhalten eine entscheidende Rolle spielt, und alles, was wir bis jetzt wissen, weist darauf hin, dass die Streuung der Risikobereitschaft bei Gruppen geringer als bei Einzelpersonen ist. Da die Entscheidungen hinsichtlich Zukunftsvorsorge innerhalb von Partnerschaften bzw. Familien in aller Regel gemeinsam, also zu zweit getroffen werden, kommt dem Risikoverhalten von Paaren in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zu, und es ist vor diesem Hintergrund einigermassen erstaunlich, wie wenig Augenmerk die Forschung bislang auf das Risikoverhalten von Paarkonstellationen gelegt hat.
Zusammen mit meinen Kollegen Haoran He und Peter Martinsson habe ich untersucht, ob sich Zweiergruppen in ihrer Risikobereitschaft von Einzelpersonen unterscheiden. Anders als bei ähnlichen Experimenten haben wir das Experiment nicht mit zufallsgepaarten Personen durchgeführt, sondern mit Studentinnen und Studenten an einer chinesischen Universität, die seit durchschnittlich eineinhalb Jahren gemeinsam in einem Wohnheim lebten. Es hat sich gezeigt, dass Paare tatsächlich eine geringere Risikobereitschaft zeigen als Einzelpersonen, diese Risikovermeidung aber bei hohen Wahrscheinlichkeiten auf hohe Auszahlungsquoten wesentlich geringer ausgeprägt ist als bei niedrigen Wahrscheinlichkeiten, also “schlechten Aussichten” auf Gewinne.
Einmal mehr fanden wir eine deutliche Bestätigung für den Befund, dass die Streuung der Risikobereitschaft zwischen Gruppen viel geringer ist als zwischen Einzelpersonen. All dies deutet darauf hin, dass Paare weniger riskante, sprich “vernünftigere” Entscheidungen treffen.
Diese These wird sich Anfang 2013 in meiner österreichischen Heimat beobachten lassen. Dann wird dort eine Gesetzesnovelle zur betrieblichen Pensionsvorsorge in Kraft treten, die festlegt, dass sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer individuell entscheiden können, ob ihre Einlagen konservativ oder riskant veranlagt werden sollen. Es ist anzunehmen, dass in Beziehung lebende Personen auf defensivere Veranlagungsformen optieren werden als Singles. Ob sie damit die richtige Wahl getroffen haben, wird sich in vielen Fällen erst Jahrzehnte später zeigen. Ein Schelm, wer dabei denkt, das Risiko der Partnerwahl ließe sich analog zu unserem Experiment neutralisieren.