Nachlese: Die Kritik an der Kritik der Nudges

Nudges, also sanfte Stupser um ein erwünschtes Verhalten anzuregen, sind manchen Anhängern der klassischen Volkswirtschaftslehre ein Dorn im Auge. Damit verpassen sie die Chance auf eine Bereicherung des Faches, so die Ökonomin Britta Kuhn.

Nachlese: Die Kritik an der Kritik der Nudges

Britta Kuhn, Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Wiesbaden Business School der Hochschule RheinMain, veröffentlichte kürzlich im Blog „Ökonomenstimme“ eine Replik auf Jan Schnellenbachs kritisches Paper “Wohlwollendes Anschubsen: Was ist mit liberalem Paternalismus zu erreichen und was sind seine Nebenwirkungen?”

Der Vertretungsprofessor an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hatte darin geschrieben:

Es zeigt sich, dass paternalistische Ansätze selbst Entscheidungen häufig verzerren werden und dass eine Verbesserung der Qualität individueller Entscheidungen höchst zweifelhaft ist.

Doch ist das so? Britta Kuhn widerspricht Schellenbach mit klaren Argumenten. Ein Auszug:

Die Aufgabenzuweisung des liberalen Paternalismus bleibt nach Schnellenbach vage, wenn es darum gehe, konkrete Politik umzusetzen. Wieso vage? Verhaltensökonomen bieten ausschließlich konkrete Einzelfall-Lösungen. Weil sie empirisch vorgehen, also die Wirkung von Anstoss-Maßnahmen zunächst in Feldversuchen testen. Im Übrigen lehnen im wirklichen Leben nicht einmal Ultraliberale staatliche Freiheitsbeschränkungen ab, soweit diese die Lebensqualität einer Bevölkerungsmehrheit erhöhen. Eine ernsthafte Debatte zum Beispiel darüber, Ampeln aus dem deutschen Straßenverkehr zu verbannen, hat bisher nicht stattgefunden. Dabei ist die Entscheidung, eine vierspurige Straße ohne Ampel zu überqueren, wesentlich einfacher, als unter hunderten von Riester-Renten die individuell optimale herauszufiltern.

Kuhns Fazit:

Lebensferne Gehirnakrobatik im Elfenbein schadet der VWL! Volkswirte, die gegen verhaltensökonomische Ansätze mit methodischen Grundsatz-Debatten und unrealistischen Annahmen argumentieren, erweisen dem Fach einen Bärendienst: Immer mehr Studierwillige wenden sich anderen Fächern zu und die politische Beratungsrelevanz der Volkswirtschaftslehre verliert an Boden. Besser wäre eine breite Öffnung der Disziplin für die Lebenswelt einer großen Bevölkerungsmehrheit im Sinne des liberalen Paternalismus.

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