Als der Verhaltensökonom Richard Thaler und der Jurist Cass Sunstein vor drei Jahren ihr Buch “Nudge. Improving Decisions About Health, Wealth, and Happiness” (auf Deutsch: “Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstösst”) veröffentlichten landeten sie einen kleinen Bestseller. Ihre Theorie des Nudging, des Anstupsens, wird seither oft zitiert, wenn es darum geht, die Entscheidungen von Menschen zu lenken.
Stupsen statt befehlen
Ein Nudge ist für Thaler und Sunstein das Gegenteil eines Befehls oder gar eines Verbots. Nicht zuletzt darum hat er besondere Kraft, das Verhalten von Menschen tatsächlich zu beeinflussen. Dafür haben die Autoren viele Beispiele genannt: Sie haben etwa nachgewiesen, dass 80 Prozent weniger Urin auf dem Boden landet, wenn in Urinalen das Abbild einer Fliege angebracht ist, da die Männer dann auf die Fliege zielen. Oder sie haben gezeigt, warum in Deutschland nur 12 Prozent der Menschen Organspender sind, während sich in Österreich mehr als 99 Prozent dafür entscheiden.
Der Grund dafür ist die entsprechende Entscheidungsarchitektur (Choice Architecture). In Deutschland etwa muss man sich aktiv zu seiner Rolle als Organspender entscheiden. In Österreich ist jeder Organspender, der sich nicht ausdrücklich dagegen entscheidet. Der Unterschied im Default – bei Softwareanwendungen würden wir Standardeinstellungen dazu sagen – macht es aus. Der sanfte Schubs, den Menschen ein „Nein“ abzuverlangen, erhöht die Bereitschaft zur Hilfe erheblich gegenüber einer Entscheidungsarchitektur, in der man auf ihr „Ja“ wartet.
Die Situation beeinflusst die Wünsche
Auch hinter diesen Erkenntnissen verbirgt sich die auch auf unseren Seiten schon oft zitierte Krise des rational abwägenden Homo Oeconomicus. Nudging bedeutet nämlich auch, dass es reicht, Menschen bloss ein Ziel zu geben, und schon versuchen sie, es zu treffen. Oder anders formuliert: Die Situation beeinflusst die individuellen Wünsche und damit das Entscheidungsverhalten.
Entscheidungsarchitekturen lassen sich in unzähligen Bereichen anwenden. Sie können gesünderes Essverhalten anregen. Sie können Menschen dazu bringen, weniger Müll auf die Strassen zu werfen. Und sie helfen natürlich auch Unternehmen.
Auch hier spielen die Default-Einstellungen eine zentrale Rolle bei der Entscheidungsarchitektur. Nur ein Beispiel: Als eine grosse nationale Eisenbahngesellschaft in Europa dazu überging, bei der Online-Buchung von Zugtickets gleich die Reservierung eines Sitzplatzes zu inkludieren, stieg die Zahl der Sitzplatzreservierungen von 9 auf 47 Prozent – nur weil das Häkchen in der Checkbox für die Platzkarte in den neuen Voreinstellungen bereits gesetzt war. Und dass das Häkchen nebenbei nicht nur für zufriedenere Fahrgäste mit fixem Sitzplatz sorgte, sondern auch für mehr Umsatz, sei natürlich auch noch erwähnt.
Fazit:
- Die Theorie der Nudges lässt sich im beim Design von Entscheidungsprozessen im Alltag nahezu überall einsetzen. Voraussetzung dafür ist, die relevanten Defaults zu erkennen, um daraus die passende Choice Architecture zu formen.
- Eine richtige Entscheidungsarchitektur übt keinen Zwang auf Bürger, Konsumenten oder Kunden aus. Sie gewichtet die Optionen und führt dadurch zu besseren Entscheidungen.
- Choice Architecture ist einfach anzuwenden und kann mit scheinbar nebensächlichen Faktoren eine grosse Wirkung erzielen.