Modernere Ansätze aus dem Feld Behavioral Economics stellen den Homo Oeconomicus allerdings zusehends in Frage – und bringen damit auch den daraus resultierenden Zusammenhang zwischen Verdienst und Motivation ins Wanken.
Alain Cohn und Michel Maréchal von der Universität Zürich haben zu diesem Problem diverse Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Experimenten für Goldwyn Reports zusammen getragen (“Mehr Lohn – mehr Motivation, ein Trugschluss?”), die einen so profunden Überblick geben, dass wir sie hier noch einmal zusammenfassen.
1. Die Arbeitsmoral reagiert stark asymmetrisch auf Lohnvariationen. In der Praxis bedeutet das: Lohnkürzungen schaden mehr als Lohnerhöhungen nutzen.
2. Eine Lohnerhöhung steigert die Arbeitsleistung nur dann, wenn sich der Lohn unter dem Lohnniveau befindet, das die Arbeitnehmer als fair empfinden. Wenn die Mitarbeiter den Lohn hingegen als fair betrachten, spornt sie eine Lohnerhöhung nicht zu mehr Leistung an. Daher ist die Zusammensetzung der Belegschaft bezüglich der Wahrnehmung fairer Bezahlung von zentraler Bedeutung für die Lohnpolitik.
3. Monetäre und nicht-monetäre Leistungen haben einen unterschiedliche Wirkung auf die Motivation. Das zeigt ein Experiment von Sebastian Kube, Michel Maréchal und Clemens Puppe (The Currency of Reciprocity –Gift-Exchange in the Workplace), bei dem eine Gruppe einen unerwarteten und leistungsunabhängigen Lohnzuschuss (Bonus) in der Höhe von 7 Euro erhielt – und die zweite Gruppe eine in durchsichtiges Geschenkpapier verpackte Thermosflasche von gleichem Wert bekam. Die Thermosflasche erhöhte die Produktivität deutlich mehr als das Geld. Laut Autoren war hier die Symbolik des Geschenks als Zeichen persönlicher Wertschätzung für den Motivationsschub verantwortlich.
Der grösste Effekt konnte allerdings in einer dritten Gruppe erzielt werden. Dort wurde der Bonus in einem schönen und originell gestalteten Kuvert überreicht. Diese Form der Wertschätzung der Mitarbeiter erhöhte die Produktivität um 29 Prozent.
Fazit:
- Meist verlassen sich Entscheidungsträger in Unternehmen in der Human Resource-Praxis auf Intuition und Erfahrung. Das führt zu langwierigen und kostspieligen Lernprozessen.
- Wissenschaftliche Experimente erlauben eine strengere Kontrolle unerwünschter Effekte – ein Vorteil, den sich auch das Human Resource Management zunutze machen kann.
Weitere Informationen zu den Experimenten, die zu diesen Ergebnissen geführt haben, finden sich im Text von Cohn und Maréchal:
Alain Cohn und Michel Maréchal: Mehr Lohn – mehr Motivation, ein Trugschluss?»