NYPD-Studie: Implicit Bias Training verändert zwar die Einstellung der Polizeibeamten gegenüber Menschen anderer ethnischer Zugehörigkeit, aber nicht unbedingt deren Verhalten

Implicit Bias Training soll Polizeibeamten dabei helfen, ihre unbewussten Vorurteile zu erkennen und reflektierte Entscheidungen zu treffen. Doch eine Studie zeigt, dass das Training nur zu vernachlässigbare Auswirkungen auf das tatsächliche Verhalten der Polizisten hat.

NYPD-Studie: Implicit Bias Training verändert zwar die Einstellung der Polizeibeamten gegenüber Menschen anderer ethnischer Zugehörigkeit, aber nicht unbedingt deren Verhalten

Der Todesfall von George Floyd sorgte für Entsetzen und Empörung und löste weltweite Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt aus. Mehrere Videos zeigten, wie der weiße Polizist auf der Kehle des Afroamerikaners kniete. Mit den Worten „I can’t breathe“ flehte er um Gnade – vergebens.

Rassistisch motivierte Polizeigewalt ist in den USA keine Seltenheit. Die stark propagierte Lösung des immanenten Problems stellt das Implicit Bias Training dar. Diese spezielle Weiterbildung soll dazu führen, dass sich Polizisten ihrer unbewussten Voreingenommenheit gegenüber bestimmten Personengruppen bewusst werden und reflektiertere Entscheidungen treffen. Doch wie effektiv ist dieses vielversprechende Training, um Vorurteilen in der Vollziehung entgegenzuwirken?

Forscher vom John Finn Institute for Public Safety und dem IACP/UC Center for Police Research and Policy untersuchten die unmittelbaren Auswirkungen des Anti-Bias-Trainings, in dem sie die Polizisten vor und nach dem Training über ihre Einstellungen und Überzeugungen befragt haben.

  • 70% der Polizisten gaben an, dass sie nun ihre implizierten Biases durch das Training besser verstehen.
  • Mehr als zwei Drittel haben durch das Training neue Strategien und Fähigkeiten erlernt, die sie in ihrem Polizeialltag regelmässig anwenden möchten.
  • Fast die Hälfte der Beamten erklärte, mit hoher Wahrscheinlichkeit auf alle fünf Bias-Management-Strategien im Job zurückzugreifen.

FIP-Strategies (Fair and Impartial Policing Strategies)

  1. Control your responses
  2. Avoid profiling by proxy
  3. Seek ways to have positive contact with individuals who are different from you
  4. Slow it down
  5. Engage with community members to have more positive contact with them

Um zu überprüfen, ob das Implicit Bias Training nicht nur die Einstellung, sondern auch das Verhalten gegenüber Menschen anderer Ethnie verändert, werteten die Forscher zusätzlich Daten über das effektive Verhalten der Polizisten im täglichen Dienst aus.

Wenig Evidenz, dass Implicit Bias Training zu Verhaltensänderungen führt

Trotz des Willens der Polizeibeamten, die erlernten Anti-Bias-Strategien in ihrer Arbeit anzuwenden, konnte im Durchschnitt keine signifikante Verhaltensänderung festgestellt werden.

Das bedeute aber nicht zwangsläufig, dass das Anti-Bias-Training keine Wirkung zeigt, erklärt der Autor der Studie Robert Warren. Aufgrund der Schwierigkeiten bei der Messung, könnten die positiven Effekte durch andere Variablen verdeckt worden sein, z.B. durch bestehende Bemühungen, Vorurteile zu verringern.

Auch das NYPD stört sich nicht daran, dass keine signifikante Änderung im Verhalten der Beamten nachgewiesen werden konnte. Die Intention hinter dem Programm war die Selbstreflexion der Beamten, das Verständnis, dass sich eventuelle Vorurteile in ihre Polizeiarbeit einschleichen könnten. Dieses Bewusstsein alleine ist schon ein Erfolg für das NYPD.

Erklärungsversuche, warum das Training nicht die gewünschte Wirkung zeigt

Doch was könnten die Gründe dafür sein, dass Implicit Bias Training nicht zu gerechterer Polizeiarbeit führt?

Laut Joshua Correll, Psychologieprofessor an der Universität Colorado Boulder, ist eine Intervention auf kultureller Ebene notwendig, um das Problem der Rassendiskriminierung zu lösen. Es reiche nicht aus, nur auf individueller Ebene anzusetzen.

Auch die Qualität des Trainings könnte ein Grund dafür sein, warum das Ausmass rassistisch-motivierter Polizeigewalt durch das Training nicht verringert werden konnte. Laut Mahzarin Banaji, Professorin für Psychologie an der Harvard University und Expertin für implizierte Biases, fehle den Trainern die notwendige Expertise, um Polizeibeamten das Konzept der implizierten Vorurteile so näherzubringen, dass sie die erlernten Anti-Bias-Strategien auch in ihrem Alltag anwenden können. Ausserdem sollte das Training auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhen, damit die Polizisten ihr Verhalten auch tatsächlich ändern. Verpflichtendes Training würde nur Widerstand auslösen und dadurch möglicherweise das Ziel verfehlen.

Experimentability rocks!

Laut Luca Geisseler, Behavioral Designer und Managing Partner bei FehrAdvice & Partners, ist eine Verhaltensänderung oft leichter zu erreichen, als gedacht. Experimente, die komplementär zum Training durchgeführt werden, können Licht ins Dunkle bringen und aufzeigen, welche Art der Hilfestellung Polizisten benötigen, um reflektiertere Entscheidungen zu treffen und ihre unbewussten Biases in Bezug auf die ethnische Zugehörigkeit von Menschen, zu überwinden.

Quelle: https://assets.documentcloud.org/documents/7203724/The-Impacts-of-Implicit-Bias-Awareness-Training.pdf