Vier Asse und ein Bauernopfer: Die verhaltensökonomischen Grundlagen des Gamblings

Gambit gegen Full House. Rochade gegen Royal Flush. Pik Sieben gegen Dame auf C4. Ist Management Schach oder Poker? Die verhaltensökonomische Grundlage des Gamblings. Eine spielerische Annäherung.

Irgendetwas stimmt nicht. Zwei Männer am Verhandlungstisch. Sie sitzen einander gegenüber wie Duellanten der Moderne. Blaue Anzüge. Lippen wie Striche. Augen wie Messer. Es geht um alles. Und es ist schon alles gesagt. Auf dem Spiel: Ein Deal in  dreistelliger Millionenhöhe, etwas, das über Erfolg und Untergang des Unternehmens entscheidet. Der eine Herr im Anzug merkt, dass der andere etwas verbirgt. Möglicherweise. Obwohl man ihm nichts ansieht. Da war etwas in seinem rechten Augenwinkel, ein flüchtiges Zucken, ganz kurz, als hätte ihn ein Windhauch von der Seite gestreift. Der Mann im Anzug, der mit der steingrauen Krawatte und der gleichfarbigen Miene: Er lügt. Er blufft. Ganz sicher. Der Deal, den er vorschlägt, ist Schrott. Zu neunzig Prozent. Okay. Karten auf den Tisch. Ja, es war ein Bluff. Das Spiel ist aus. Gewonnen. Wegen einer zuckenden Wimper.

Poker. Wer vier Asse im Management haben will, braucht Überblick, muss das Spiel kennen, und zwar in allen Facetten. Aber wie heisst das Spiel, dieses grosse Game? Poker? Schach? Was ist besser, und welche Strategie führt zum Erfolg? Die riskante mit den Karten? Oder die brillante mit dem Springer?

Dazu muss man eintauchen ins Wildwasser der Verhaltensforschung. Zwei Begriffe werden sichtbar. Skill und Luck. Können und Glück. Im Poker braucht man beides. Im Schach nur eines. Und im Management? Wer weiss das schon.

Begriffe und Begrifflichkeiten. Wovon, zum Henker, reden wir hier eigentlich?

Luck ist das spontane Auftreten einer Chance, die sich gut oder schlecht auswirken kann. Glück lässt sich nicht kontrollieren, es ist unvorhersehbar.

Skill ist die Kraft, Entscheidungen zu treffen. Ein Prozess, der Wissen verlangt und Handeln bedingt. Wer Skill hat und sich anstrengt, seine Fähigkeiten richtig einzusetzen, wird mit Luck belohnt. Der Volksmund nennt dies das Glück des Tüchtigen.

Man kann sich eine Linie vorstellen, links steht Pure luck und rechts auf der Skala Pure skill. Die Achse Glück-Können ist in der Verhaltensforschung die Bandbreite des Tuns. Unser eigentliches Ziel ist, alle Aktivitäten in diesem Kontinuum an die richtige Stelle zu setzen, mithin exakt zwischen Können und Könnte zu positionieren. Wie bei einem Abakus, wo man blaue und rote Holzperlen so lange verschiebt, bis die Rechnung aufgeht; so agiert der weise Manager.

Wie man das Verhaltensmuster aufs reale Wirtschaftsleben umlegen kann, ist evident: Suche erfolgreiche Unternehmen, finde heraus, was sie gemacht haben, um den Erfolg zu erreichen. Teile diese Attribute mit anderen Firmen, die ähnlichen Erfolg suchen, und bingo. Auf die Art verkaufen Autoren zig Millionen Sachbücher. Die Strategien sind anziehend und locken Leser: Wissbegierige Wirtschafter träumen von der Einen Lösung wie Quantenphysiker von der Weltformel.

In Wahrheit liegt die Antwort bei einem selbst. Hast du es drauf oder hast du Glück? Im Idealfall beides.

Hauptpunkt der Erkenntnis: Wenn du vor einer Entscheidung stehst, deren Ergebnisse fast ausschliesslich im Skill-Bereich liegen, brauchst du nicht viele Versuche oder Beispiele als Referenz, um zu einer wünschenswerten Lösung zu kommen. Da du bereits weisst, wie die Sache ausgeht. Wie beim Schach. Die Dinge sind vorhersehbar, weil du dich auf deinem Spielbrett bewegst. Du kennst die nächsten Züge und weisst, wie sich dein Gegner verhalten wird. Er sitzt in der Falle, Schachmatt.

Anders beim Poker. Du musst viele Hände spielen, um Situationen einschätzen zu können. Um dein Gegenüber, wie es so schön heisst, zu lesen. Es braucht Empirie. Wie bei der Verhaltensökonomie. Empirie und Empathie ist gleich Erfolg. Ob Bluff, Drilling, Strasse oder Flush in Herz. Je mehr Hände du spielst, desto höher die Chance, dass du gewinnst. Da du dir Chancen ausrechnest. Da die Mathematik dein Einflüsterer ist. Die Mannigfaltigkeit der Möglichkeit. Niemand hat behauptet, dass das Leben leicht ist.

Skill, Luck, die Enden der Gleichung. In Wahrheit ist es ein mixed game. Die Mischung macht es aus. Kopfsinn und Bauchgefühl. Hirn und Herz, gewissermassen Hirz.

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Poker ist in der Texas Hold’em-Variante neben Seven Card Stud der Renner für Menschen mit Spieltrieb. Leute lieben den Limes zwischen Sieg und Niederlage. Die Chips stehen im Pulk vor dir. Der Dealer gibt. Jetzt setzt die Biochemie ein. Der Thrill, wenn dir die ersten zwei Karten ausgeteilt werden, die Erwartung, wenn die drei Karten, offen für alle, auf dem grünen Filz des Pokertisches liegen, wenn die Chips gesetzt oder gleich zur Mitte geschoben werden, wenn die nächste Karte aufgedeckt wird, dann die letzte, vielleicht ein Karo Neuner. Bringt er dir Glück? Führt er dich ins Verderben? Der Spieler entscheidet.

Schach dagegen braucht kein Pokerface. Keine Sonnenbrillen, die den Blick verbergen. Schach ist was anderes, eine schwarz auf weiss Taktik. Können und Geistesleistung. Nicht Glück, nicht Pech, nicht Kartenzauber oder Schicksalsschlag. Schach ist so gut, wie der Mensch, der am Zug ist. Skill. Der Schachmeister ist dressed to skill.

Erfolg basiert aber nicht nur auf Taktik und Ausblick. Es gibt, wie Verhaltensökonomen das salopp nennen, „Biases“, also Verzerrungen. Wurmlöcher in der Wahrnehmung. Angenommen, zwei Leute spielen Lotto. Der eine 1, 2, 3, 4, 5, 6 und der andere 5, 12, 26, 29, 34, 41. Man könnte meinen, der zweite Typ hätte bessere Chancen, sechs aus 45 zu treffen, aber beide haben genau die gleichen Chancen auf den Jackpot. Das sind Biases. Vexierbilder, die Verzerrungen zeigen und denen wir unterworfen sind, wenn auch unbewusst. Irren ist männlich.

Skill und Luck. Sie sind wie zwei vernetzte Gehirnhälften. Wer Können und Gunst in Einklang bringt, versteht das Spiel. Und macht irgendwann selbst die Regeln. Man nennt das outperformen: Besser als der Durchschnitt sein, um das Glück auszuschliessen.

Irgendetwas stimmt nicht. Zwei Männer am Verhandlungstisch. Sitzen da wie Schachspieler. Lippen verziehen sich zu gelächelter Süffisanz. Augen beleidigen ihr Vis-à-vis. Der eine Herr im Anzug weiss, dass der andere etwas verbirgt. Er wird den Vorteil zu seinen Gunsten nutzen. Die Taktik ist schwierig. Es wird lange Verhandlungen brauchen, Vordenken, möglicherweise ein Bauernopfer, und Weitblick. Wie beim Schach. Aber auch Mut ist gefragt, Bereitschaft zum Risiko, wie beim Poker, wenn man all-in geht, ja, es geht um alles, keine Frage. Irgendwo warten vier Asse. Und eine Dame. Das Spiel beginnt. Du bist dran.

Top 5 Biases beim Pokern

Pokerspieler sind auch nur Menschen – und die haben Biases. Wir versuchen Unsicherheiten und unvollständige Informationen durch eigene Annahmen in Sicherheiten und vollständige Informationen zu verwandeln. Hier sind die Top 5 Biases beim Pokern:

1. The Gambler’s Fallacy

Spieler schätzen zukünftige Ergebnisse häufig falsch ein, indem sie die Vergangenheit zu stark gewichten und vergessen, dass keine Kausalität zwischen den Ereignissen besteht.

2. Der Dunning/Krueger Effekt

Vielfach lassen sich Anfänger von ein paar Siegen täuschen und blenden dann eigene Schwächen aus. Manche Profis lassen sich durch eine Niederlagenserie verunsichern und beginnen kleinere Fehler viel stärker zu beachten, sodass sie dann das grosse Ganze aus den Augen verlieren.

3. Selection Bias

Oftmals konzentrieren wir uns beim Pokern eher auf den Gewinn und vergessen die Einsätze als auch die Verluste.

4. Survival Bias

Häufig konzentrieren wir uns auf Spielzüge, die Erfolg bringen. Wohingegen wir Spielzüge ignorieren, die nicht zum Erfolg geführt haben.

5. Confirmation Bias

Oft gewichten wir Ereignisse, die unserer Theorie entsprechen höher und ignorieren Ergebnisse, die unserer Theorie widersprechen.


Save the date!
PokerNight des Fachvereins Oekonomie, Universität Zürich, 13. April 2016


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