Studie: “Gemeinsame Hebel und Wege zur Optimierung der Auslastung im öffentlichen Verkehr”

Eine an der Fachtagung “öV-Mobilität der Zukunft” vorgestellte Studie von FehrAdvice zeigt die relevanten Treiber für das Pendelverhalten der Schweizerinnen und Schweizer – und mit welchen Massnahmen das Verhalten verändert werden kann, um die Infrastruktur zu entlasten und Kosten zu senken.

Studie: "Gemeinsame Hebel und Wege zur Optimierung der Auslastung im öffentlichen Verkehr"

Die Infrastruktur der Schweiz im Bereich des öffentlichen Verkehrs (öV) gehört zu den dichtesten und am besten ausgebauten weltweit. Trotzdem ergeben sich sowohl auf dem Strassen- als auch auf dem Schienennetz aufgrund der ungleichen Auslastung im Tagesverlauf Engpässe. Als Folge davon müssen die Kapazitäten auf die Spitzennachfrage ausgerichtet werden – zu hohen Kosten, die von den öV-Anbietern und der Allgemeinheit getragen werden.

So schätzt Ecoplan (2015) die Kosteneinsparpotentiale im Angebot des öV auf eine Grössenordnung von rund 140 Millionen Franken pro Jahr. Dafür müsste sich allerdings die Nachfrage über den Tag besser verteilen. Der Schlüssel zu einer besseren Auslastung sowohl im öV als auch im motorisierten Individualverkehr liegt insbesondere im Verhalten der Pendler, die heute zur Hauptverkehrszeit unterwegs sind. Um das Pendelverhalten nachhaltig zu ändern, ist es notwendig, die Gründe für das bestehende Verhalten zu kennen.

Hier setzt die von FehrAdvice im Auftrag der Schweizer Bundesbahnen (SBB), der Konferenz der kantonalen Direktoren des öffentlichen Verkehrs (KöV) sowie des Verbandes öffentlicher Verkehr (VöV) erstellte Studie an, welche die relevanten Treiber des Pendelverhaltens von Arbeitspendlern identifziert und gemessen hat. Sie zeigt:

  • Das Pendelverhalten in der Schweiz ist stark gewohnheitsgetrieben. Rund 75 Prozent der Arbeitspendler pendeln schon seit drei oder mehr Jahren auf die gleiche Art und Weise.
  • Rund 40 Prozent der öV-Arbeitspendler zur Hauptverkehrszeit haben keine Möglichkeit, am Morgen zu einer Nebenverkehrszeit zu pendeln.
  • Auch wenn viele bereit wären, zur Nebenverkehrszeit zu pendeln, bringt das sehr hohe psychologische und soziale Kosten mit sich. Pendler müssten dafür habitualisiertes Verhalten verändern, sie verletzen damit vielleicht die “Anwesenheitsnorm” am Arbeitsplatz – und die erforderliche Flexibilität für eine Verhaltensänderung wird von Unternehmen oft wenig unterstützt.
  • Rund drei Viertel der öV-Pendler sind kooperationsbereit mit der öV-Branche, solange sie sich nicht unfair behandelt fühlen.

In Kombination mit den verhaltensökonomischen Erkenntnissen über Kooperation und Fairness, geben diese Ergebnisse zwei Grundrichtungen strategischer Massnahmen vor:

Eine transaktionale Strategie: Verhaltensänderungen werden durch Anreize (Preismechanismen) und Regulierung (Gesetze, Regelungen) angestrebt.

Eine kooperative Strategie: Verhaltensänderungen werden durch freiwillige Zusammenarbeit zur Erreichung einer gesamtschweizerischen Mobilitätsvision angestrebt.

Aus gesellschafts- und wirtschaftspolitischer Sicht ist die kooperative Strategie die „first best solution“. Kooperationsbereitschaft ist ein starker Hebel für Verhaltensänderungen und deshalb ökonomisch und gesellschaftspolitisch äusserst wertvoll. Nachhaltige Kooperation braucht allerdings unterstützend individuelle Anreize und glaubhafte Sanktionsinstrumente für nicht-kooperative Beteiligte.

Soll eine kooperative Strategie in der Auslastungsproblematik wirkungsvoll und nachhaltig verfolgt werden, müssen Massnahmen dabei sowohl beim individuellen Mobilitätsverhalten – vor allem durch die öV-Branche, die auf vielen Ebenen im täglichen Kontakt mit Pendlern steht – , bei den sozialen Normen am Arbeitsplatz sowie bei den politischen Rahmenbedingungen ansetzen.

Die vorliegende Studie zeigt deutlich: Erst die Komplementarität von Massnahmen auf den Ebenen öV-Branche, Schweizer Unternehmen und Politik ermöglicht eine tatsächliche Verhaltensänderung bei Pendlern.

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